Folia Theologica 6. (1995)

Bruno Primetshofer: Die Fähigkeit zum Ehekonsens nach Kanonischem Recht

FOLIA THEOLOGICA 6 (1995) 5 Bruno PRIMETSHOFER DIE FÄHIGKEIT ZUM EHEKONSENS NACH KANONISCHEM RECHT I. Vorbemerkungen 1) Inhalt und Voraussetzungen des Konsenses Der in c. 1057 § 1 CIC/1983 ausgesprochene Grundsatz, wonach die Ehe durch den Konsens der Ehewerber zustandekomme, stellt zweifellos kodifiziertes Naturrecht dar1. Während an der zitierten Gesetzesstelle nur allgemein davon gesprochen wird, daß es ohne Ehewillen keine gültige Ehe geben könne, wird in einer Reihe von weiteren Einzelbestimmungen des näheren festgelegt, welche (Mindest)inhalte dieser Konsens aufwei­sen muß, um gültig bzw. wirksam zu sein, d.h. um zu einer gültigen Ehe zu führen. Bei dieser Umschreibung des Konsensinhalts übernimmt das kanonische Recht teils das Naturrecht, d.h. kodifiziert dieses (etwa wenn es den Grundsatz der Einheit der Ehe im Sinne von deren Einpaarigkeit festlegt2), teils aber stellt es in bezug auf Gültigkeit und Wirksamwerden des Konsenses von sich aus, d.h. aufgrund des ius mere ecclesiasticum, Voraussetzungen auf. Beispiele für Konsensmängel aufgrund des rein po­sitiven Kirchenrechts sind — der bis vor kurzem noch als herrschend zu 1 Es fällt auf, daß es für c. 1057 §11. Halbsatz („Matrimonium facit partium consensus") keine Parallele im CCEO gibt. Denn die parallele Aussage zu c. 1057 § 1 CIC/1983, nämlich c. 817 § 2 CCEO, übernimmt nur den letzten Halbsatz des c. 1957 § 1: „...nulla humana potestate suppleri valet". Vgl. C. G. FÜRST, Canones Synopse zum Codex luris Canonici und Codex Canonum Ec­clesiarum Orientalium, Freiburg/Br., 1992, 67. Dies hängt offenbar mit der Grundtendenz des orientalischen Kirchenrechts zusammen, die Ehe als nicht allein auf dem Konsens der Partner beruhend zu verstehen, sondern den gegenüber dem lateinischen Recht weitaus höheren Stellenwert der priesterlichen Segnung zu betonen. Das Fehlen einer ausdrücklichen Kodi- fizierung des in Rede stehenden Satzes im CCEO ist allerdings für den na- turrechtlichen Charakter dieser Norm ohne Bedeutung. 2 M. E. CASELLATI ALBERTI, Indissolubilità e unità nell'istituto naturale del matrimonio canonico. Pubblicazioni della facoltà di giurisprudenza dell'uni- versità di Padova, Vol. XVII, Padova 1984,146-148. — Zur naturrechtlichen Qualifikation der Einpaarigkeit der Ehe vgl. K. HÖRMANN, Lexikon der christlichen Moral, Innsbruck 1969, Sp. 201 und 880.

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