Folia Theologica 6. (1995)

Bruno Primetshofer: Die Fähigkeit zum Ehekonsens nach Kanonischem Recht

16 B. PRIMETSHOFER Ausdruck kommt32. Dieses „totius vitae consortium” verlangt auch die Fähigkeit, in der Ehe eine personale Beziehung aufzubauen, die u.a. darin besteht, die Grenzen des. eigenen Ichs zu überschreiten und den Partner als mit gleicher Würde ausgestattetes Wesen in ausschließlicher und dauernder Verbindung anzunehmen33. Ein im Sinne von c. 1095, 2 relevanter Mangel kann sowohl im Intel­lekt wie auch im Willen vorliegen. Intellektuelle Defizite können des näheren unterschieden werden in bezug auf die Erkenntnis-, Beurtei- lungs- und Unterscheidungsfähigkeit (capacitas cognoscendi, aestimandi und seligendi). In Zusammenhang mit letzterer wird die Bedeutung der bewußten und unbewußten Motive für die Eheschließung besonders auf­gewiesen34. Diese Motive, so betont die SRR, seien nicht nur von Einfluß auf den Willen, sondern auch schon auf Erkenntnis und kritische Einschätzung des erkannten Objekts, sodaß dessen adäquates Erfassen durch den Verstand erheblich beeinträchtigt werde35. Auch eine im Un­terbewußtsein vorhandene Motivation könne in Wahrheit bestimmenden Einfluß auf Erkenntnis und Wahlfreiheit haben und dies auch dann, wenn das handelnde Subjekt für sich überzeugt sei, seine Wahl aus ganz anderen Motiven getroffen zu haben36. Neben der bereits erwähnten Erkenntnis-, Beurteilungs- und Unter­scheidungsfähigkeit kommt im Tatbestand des c. 1095, 2 der Willensfä­higkeit entscheidende Bedeutung zu. Diese auch als „maturitas affectiva” bezeichnete Fähigkeit ist der Rechtsprechung der SRR zufolge durch ein 32 R. L. BURKE, Grave difetto di discrezione di giudizio: Fonte di nullità del consen­so matrimoniale, in: IusCan 31 (1991), 147 f. 33 F. della ROCCA, Diritto matrimoniale canonico. Távolé sinnotiche. Terzo volume di aggiornamento, Padova 1992, 295: „...poichè l'oggetto del consenso matrimoniale ... implica anche il diritto al „consortium vitae coniugalis" si richiede anche la capacità di stabilire la relazione interpersonale cioè la 'ha­bilitas proprium „ego" transeundi ut alter coniux recognoscatur ut persona dignitatis aequalis seu tamquam socius in unione exclusiva, stabili ac dura­tura"'. 34 POMPEDDA, Consenso (Anm. 11), 13 f. 35 Vgl. PREE, Neuestes (Anm. 12), 67. 36 POMPEDDA, Consenso (Anm. 11), 13 ohne Hinweise auf diesbezügliche Rota-Judikatur; ebenso DERS., L'incapacità consensuale, in: IusCan 31 (1991), 128. — In einer Entscheidung coram Fiore wird allerdings die Berücksich­tigung von „motiva inconscia" abgelehnt: für die kirchenrechtliche Beurtei­lung der Freiheit und Verantwortlichkeit des actus humanus könnten nur bewüßte Motive Berücksichtigung finden. PREE, Neuestes (Anm.12) 69, Anm. 26.

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