Folia Theologica 4. (1993)

Winfried Aymans: Gemeinrechte und Gemeinpflichten aller Gläubigen

6 W. AYMANS umgekehrte Reihenfolge. Für beide Ausdrucksweisen können gute Gründe genannt werden. Nicht selten gehen Rechte und Pflichten so ineinander über, daß ein Recht zugleich eine Pflicht einschließt, weshalb der Gesetzgeber beispielsweise die Formel wählt „officium habent et ius” (vgl. c. 211 CIC). In der deutschsprachigen Kanonistik hat es sich eingebürgert, die in den cc. 208-223 CIC genannten Rechte und Pflichten der Gläubigen als »Grundrechte« und »Grundpflichten« zu bezeichnen, sie gegebenenfalls unter dem Oberbegriff »Grundstatut der Gläubigen« zusammenzufassen. Zwar kann dies mit dem Wortlaut des Gesetzbuches nicht gerechtfertigt werden, doch gibt es gute Gründe dafür, diesen Normenkomplex mit einer eigenen Begrifflichkeit zu erfassen. Allerdings können auch die Probleme nicht übersehen werden, die sich mit der Sprechweise vom »Grundstatut« und von »Grundrechten« verbinden. Diese Probleme sind mir Anlaß, für eine neue Terminologie einzutreten; dies ist später zu erläutern. Es handelt sich nicht um ein Sonderproblem der deutschen kanonistischen Fachspra­che; vielmehr ist das terminologische Problem auch anderen Sprachen, namentlich auch der für das kanonische Recht verbindlichen lateinischen Sprache, nicht unbekannt. Der Kennzeichnung der hier in Rede stehenden Rechte und Pflichten als »Grundrechte« und »Grundpflichten« entspricht im Lateinischen die Hinzufügung des Adjektivs »fundamentalis« zu »iu­ra« und »officia«. Wie ist es zu unserem Gesetzesabschnitt gekommen? Welcher Termino­logie bedient sich der Gesetzgeber? Bei einer genaueren Analyse der Entstehungsgeschichte unseres Gesetzesabschnittes zeigt sich, daß hier zwei Entwicklungsstränge zu berücksichtigen sind: die Reformarbeiten für den Codex der Lateinischen Kirche (CIC) und die schließlich weit gediehenen, aber nicht zum Gesetz gewordenen Arbeiten an der für die ganze katholische Kirche ursprünglich geplanten »Lex Ecclesiae Funda­mentalis« (LEF). In der Entwicklungsgeschichte des Normenkomplexes der cc. 208-223 CIC sind jedoch nicht nur die beiden Stränge des CIC und der LEF zu unterscheiden. Man kann vielmehr auch zwei Zeitabschnitte voneinander abheben: Vom Beginn der Reformarbeiten bis zum Jahr 1977 und von da an bis zur Promulgation der Gesetzbücher.

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