Folia Theologica 3. (1992)

Leo Scheffczyk: Zur Unsterblichkeitsproblematik bei Thomas von Aquin

ZUR UNSTERBLICHKEITSPROBLEMATIK 73 che zu erreichen. Diese Bedürftigkeit, die mit Hoffnung gepaart ist, kommt im Tod am deutlichsten zum Vorschein, so daß der Tod als solcher keine Vollendung und kein Sieg sein kann. Soll das menschliche Streben über den Tod hinaus aber nicht enttäuscht werden, so muß es auch ein den Tod überdauerndes Prinzip geben, das in seiner potenzierten Bedürftigkeit Träger der Sehnsucht nach Vollendung bleibt, die erst in der Gnadentat der Auferstehung erfolgen kann. Will man das Anliegen des Thomas innerhalb der heute angebotenen Möglichkeiten formalisieren, so darf man es etwa wie folgt tun: Die am Anfang der modernen Problematik stehende evangelische Theologie ur- gierte den Gegensatz zwischen natürlicher Unsterblichkeit und gnaden- hafter Auferstehung. Die katholische Theologie strebt heute vielfach nach einer einfachen Synthese von geschichtlich-natürlicher Unsterblichkeit und erlösender Auferstehung. Thomas dagegen intendiert eine Vermitt­lung zwischen defizienter natürlicher Unsterblichkeit und der Sehnsucht nach gnadenhafter Auferstehung. Damit schafft er eine spannungsvolle Beziehung zwischen den naturgegebenen Bedingtheiten und der überna­türlichen Ordnung, eine beziehentliche Einheit von philosophischem und theologischen Denken, die den Erfordernissen des vernunftgemäßen Glau­bens am besten entspricht.

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