Folia Theologica 3. (1992)
Leo Scheffczyk: Zur Unsterblichkeitsproblematik bei Thomas von Aquin
ZUR UNSTERBLICHKEITSPROBLEMATIK 69 se subsistens, non est corruptibilis per se nec per accidens”.53 Hier findet sich bereits auch die Behauptung von der Existenz der anima separata, ebenso in den „Quaestiones de anima”, wo Thomas die „immortalitas animae humanae” verteidigt und erklärt.54 Dabei läßt er aber auch schon erkennen, daß die leibgetrennte Seele eine eigentümliche Erkenntnis- und Existenzweise hat, die nicht leicht zu erklären ist. Aber bevor auf Existenz und Bedeutung der leibfreien (bzw. leibberaubten) Seele einzugehen ist, muß die Deutung des Todes betrachtet werden, die sich aus der strengen Auffassung von der Natureinheit von Leib und Seele ergibt. Unter diesem Aspekt betrachtet, nimmt der Tod als Trennung von Leib und Seele einen anthropologisch wie auch theologisch durchaus negativen, bedrückenden und leidvollen Charakter an, den Thomas auch am Tode Christi exemplarisch heraushebt.55 Die Beraubung des Leibes ist für die Geistseele nicht nur Verlust einer Vollkommenheit, sondern sie ist für den Menschen im ganzen die Aufhebung seiner Einheit, damit aber auch die Preisgabe jeder Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, die nur in Leib, Welt und Geschichte erfolgen kann. Hier steht Thomas im Einklang mit dem aristotelischen Gedanken, daß der Tod an sich das größte Übel ist. Er begründet das auch theologisch unter Verweis auf den Tod als Sold der Sünde.56 So kann er dem Tod vom Menschen her keinerlei Vollendungscharakter zusprechen, sondern ihn nur als Beweis der geschöpfli- chen Defizienz des Menschen zumal unter der Sünde verstehen. Der Todesauffassung des Thomas fehlt jeder Anflug einer „theologia gloriae”. Er ist in diesem Sinne der protestantischen Auffassung näherstehend als der Vollendungsauffassung mancher katholischer Theologen. 53 Vgl. L. SCHEFFCZYK, a.a.O., 35 f. 54 Vgl. Q. D. De anima XTV ff. Zum Begriffsgebrauch ist zu vermerken, daß Thomas den Terminus „immortalitas animae" weniger häufig gebraucht als den der incorruptibilitas. Der Grund mag darin gelegen sein, daß, wie seine Ausführungen über den Tod zeigen, die anima vom Tod und vom Sterben nicht unbetroffen bleibt, wenngleich der Mensch selbst in seinem f anzheitlichen Sein das eigentliche Subjekt der Sterblichkeit ist. Diesen für homas durchaus wichtigen Sachverhalt könnte ein vorbehaltloses Sprechen von der „Unsterblichkeit" der Seele verdecken oder verunklären. 55 In Joh., Marietti-Ausgabe, nr. 1533-1535; vgl. R. SCHENK, Die Gnade vollendeter Endlichkeit. Zur transzendentaltheologischen Auslegung der thomanischen Anthropologie, Freiburg 1989, 498-509. 56 S. th. m q. 50 a. 1 co.