Folia Theologica 3. (1992)

Leo Scheffczyk: Zur Unsterblichkeitsproblematik bei Thomas von Aquin

ZUR UNSTERBLICHKEITSPROBLEMATIK 61 Darum müsse auch die von Thomas festgehaltene Unzerstörbarkeit der Seele oder ihre Unsterblichkeit einen anderen Charakter annehmen. Sie ist nicht mehr eine Auszeichnung der vom Leibe getrennt zu denkenden Geistseele, sondern die endgültige Vollendung des menschlichen ge­schichtlichen Seins, an der auch der Leib beteiligt gedacht werden muß. So deutet sich hier eine Auffassung an, die von der thomasischen Anscha­uung eines Zwischenzustandes der leibgetrennten, unzerstörbaren Seele nach dem Tode wesentlich verschieden ist. Fragt man angesichts der ursprünglichen Übereinstimmung mit dem anthropozentrisch gedeuteten Thomas, wo die Abweichung beginnt und wo der Punkt der Trennung der Auffassungen gelegen ist, so wird man auf die unmerklich vorgenommene Identifizierung innerhalb der neuen Thomasinterpretation von „Seele” und „Subjektivität” stoßen, die nicht dem thomasischen Denken entspricht, weil „Seele” für ihn der ontologische Grund der Subjektivität ist und ein Wesenskonstitutiv des Menschen als Person. Für J. B. Metz ist „Seele” dagegen der „Titel für den [ganzen] Men­schen”,21 sie ist „als der einen konkreten menschlichen Leib informierende Geist die Subjektivität des Menschseins”,22 freilich in leiblicher Daseins­weise. Damit kann aber auch der Leib nicht mehr in thomasischem Sinne als wirkliches Teilprinzip des Menschen verstanden werden. Er ist nur „eine ursprüngliche Befindlichkeit des Menschen” oder das „Außer-sich- Sein” der Seele, so daß man sagen darf, Leib und Seele sind nur die zwei Dimensionen der menschlichen Subjektivität, die aber wesentlich von der geistigen Seele her begründet wird. Leib ist „Seele in einem bestimmten [leibhaften] Aggregatszustand”,23 eine Formulierung, die eine gewisse Nähe zum Spiritualismus nicht verbergen kann. Dieses merkliche Abgehen von der Leib-Seele-Auffassung des Thomas trotz ihrer verbalen Gutheißung zeigt sich in der Sache auch bei K. Rahner, der die thomasische Einheitslehre unmerklich verschiebt und zwar nach der Seite der Seele oder des Geistes hin, der wesentlich als „wissendes ’Bei-sich-Sein’” verstanden wird, das sich im Leiblichen ausdrückt. Damit 21 Fr. P. FIORENZA - J. B. METZ, Der Mensch als Einheit von Leib und Seele: Mysterium Salutis II, 610. 22 Ebd.,620. 23 J. B. METZ, Handbuch theologischer Grundbegriffe II (hrsg. von FI. Fries) München 1963,33 („Leiblichkeit").

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