Folia Theologica 2. (1991)
László Boda: Aspekte zur Theologie der Selbstverwirklichung
SELBSTVERWIRKLICHUNG 95 Es kann allerdings gefragt werden, warum wir nicht nur beim gewohnten Gebrauch des Wortes „christliche Vollkommenheit” bleiben? Warum ist es so empfehlenswert, auch den Begriff der Selbstverwirklichung anzunehmen und zu gebrauchen? Erstens deswegen, weil das herkömmliche Wort „christliche Vollkommenheit” auch nicht einwandfrei ist (der Ausdruck bildet in uns z.B. die Assoziation einer griechischen Marmorstatue und versinnlicht nicht den mühsamen Charakter des Begriffs). — Zweitens deswegen, weil die Theologie von Heute den Dialog mit dem Menschen der säkularisierten Welt ernst nimmt. In der heutigen Identitätskrise hat der Mensch ein starkes Verlangen nach der Selbstfindung. Peter Lippert schreibt: „Selbstentfaltung, Selbstverwirklichung, Hineinwachsen in Ich- Stärke, das ist es, was gesucht wird.23 Ausserdem meldet sich immer bemerkbarer eine neue Annäherungsmethode in der Theologie: die „von unten” ausgehende Anschauung der Grundfragen (vgl. Christologie „von unten”). Die Konklusion ergibt sich von sich selbst: die theologisch erklärte und angenommene Selbstwirklichung kann also die christliche Vollkommenheit „von unten" — d. h. von den tiefenpsychologischen Gründen her —interpretiert und integriert werden. 23 Wer sein Leben retten will. — Selbstverwirklichung und Askese in einer bedrohten Welt, Mainz, 1978, 14.