Folia Theologica 2. (1991)

Péter Erdő: "Aequitas" im geltender Kirchenrecht

112 P. ERDŐ HI. „Aequitas” im Codex Iuris Canonici von 1983 Um die Terminologie des neuen Kodex richtig verstehen zu können, müßen wir einen Blick auf den Sprachgebrauch seiner unmittelbaren Vorlage, das heißt den Kodex von 1917 werfen. Nach der berühmten Synthese von Klaus Mörsdorf16 gehörten im alten Gesetzbuch aequitas naturalis, aequitas canonica und aequitas zu den naturrechtlichen Begriffen. Man hat das Wort aequitas einerseits dem Wortsinne nach in der Bedeutung von „Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit, Gleichheit” verstanden, im Kodex aber auch in einem spezifischen, den römischen Juristen bekannten Sinne für die Bezeichnung der Billigkeit gebraucht, vor allem als aequitas schlechthin oder in Form der aequitas naturalis. Für die absolute Rechtsgleichheit wurde manchmal — vor allem außerhalb des Kodex — das Wort aequalitas verwandt, während das Eigens­chaftswort aequitas bald gleich, bald angemessen, bald billig bedeutete. Die adverbiale Form aeque wurde meistens im Sinne von Rechtsgleichheit geb­raucht. Die substantive Form aequm war im Kodex immer mit bonum ver­bunden, und bedeutete — nach Wohlhaupter, Köstler und anderen — „Anweisung zu einer Entscheidung nach Billigkeit.”17 Etwas umstrittener war der Sinn des Ausdrucks aequitas canonica etwa im c. 20. Nach Sosius d’Angelo war aequitas canonica ein Rechtsinhalts­begriff, während aequitas naturalis sich auf die Methoden bezogen hat. Dagegen haben andere Autoren eingewandt, daß sowohl eine nicht ange­wendete aequitas canonica als auch eine die normenmäßige Grundlagen entbehrende aequitas naturalis nutzlos wären. Wieder andere haben unter aequitas canonica die Gesetzes- beziehungsweise die Rechtsanalogie, unter aequitas naturalis aber das Naturrecht verstanden. Es gab auch Kanonisten — wie Eduard Eichmann — die in der aequitas canonica ein teils aus dem Naturrecht, teils aus dem Geist der konkreten positiven Rechtsordnung bestehendes Rechtsinstitut gesehen haben, das beim „He­ranziehen allgemeiner Rechtsgrundsätze auf eine «gleichmäßige rechtli­che Behandlung gleicher oder ähnlicher Rechtsverhältnisse im Sinn und 16 Die Rechtssprache des Codex Iuris Canonici, Paderborn 1937 (Nachdr. 1967), 42. 17 MÖRSDORF, Die Rechtssprache 42, Anm. 12.

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