Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

78 MARKUS ENDERS wirklich existierend auszudenken, dessen Seinsweise die Reichweite seiner eigenen intellektuellen Anschauung prinzipiell übersteigt.39 Daher gilt im Um­kehrschluss: Wäre Gott nicht etwas Größeres als von uns gedacht - im Sinne von intellektuell angeschaut - werden kann, dann wäre er nicht das für uns denkbar Größte. Zur inhaltlichen Normativität des ontologischen Gottes­begriffs gehört also nicht nur seine begrifflich affirmative Bestimmtheit als die Summe aller möglichen, d. h. widerspruchsfrei denkbaren, Seinsvollkommen­heiten, sondern auch seine begrifflich negative Bestimmtheit als das unser Erkenntnisvermögen schlechthin übertreffende Sein, welches in seiner unend­lichen Vollkommenheit erhaben ist über jede mögliche Steigerungsreihe be­grifflicher Wertsetzungen des endlichen Intellekts.40 Die negative Formulie­rung „maius nihil“ bzw. „maius non cogitari potest“ aber ist geeignet, Gottes Erhabenheit über jeden möglichen Begriff eines endlich-geschaffenen Intel­lekts mitauszusagen. Der (dem) Gott (des christlichen Glaubens) inhaltlich angemessenste Vemunftbegriff muss daher sowohl einen affirmativ-theologi­schen als auch einen negativ-theologischen Gehalt besitzen. In dieser doppel­ten Gestalt als affirmativ-theologischer und zugleich als negativ-theologischer Gottesbegriff bringt daher der ontologische Gottesbegriff das prinzipielle Pa­radox des Gottdenkens zumindest der abendländischen Metaphysik- und weit­gehend auch der christlichen Theologiegeschichte am reinsten zum Ausdruck: Gott als das denkbar Beste und zugleich als größer als alles von einem endli­chen Intellekt Denkbare annehmen zu müssen. 3. Die formale Normativität des ,ontologischen Gottesbegrijfs‘: ,Q‘ als negative Denkregel der Unübertrefflichkeit ,Q‘ besitzt den Charakter einer negativen Denkregel, genauer einer Denkregel der Un- oder Nichtübertrefflichkeit, die negativ vorschreibt, wie über Gott nicht angemessen gedacht werden darf, wenn man ihn rational angemessen denken will. Man darf sich gemäß dieser Regel Gott nicht als etwas vorstellen, das in seinem Wert noch von etwas anderem übertroffen werden könnte; dies aber bedeutet, affirmativ gewendet: Wenn sich ein endlicher Intellekt mit sei­nem Vemunftvermögen Gott angemessen denken will, dann muss sein Gottes­begriff die Form eines absoluten Superlativs besitzen, dann muss er sich Gott als das unübertrefflich Beste vorstellen. Wer also Gott nicht bereits rein formal als das schlechthin Unübertreffliche begreif!, der denkt sicher nicht Gott, son­dern etwas Anderes, dessen Gottesgedanke ist schon formal und damit auch 39 Vgl. hierzu Anselm von Canterbury, Quid ad haec respondeat editor ipsius libelli 4,1 134, 8-10. 40 Vgl. ebd., 5,1 135,8-36,2.

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