Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

62 BORIS WANDRUSZKA „Sohn“ und die Gestaltung ist im Ursein Gottes identisch mit dem „Heiligen Geist“.u So erstaunlich dies anmutet, so natürlich ergibt es sich aus rein phä­nomenologisch-ontologischer Betrachtung. VII. Gott - metaphysisch Und doch: Alle Spuren Gottes, die wir erfahren können, sind Spuren im Hiesi­gen und damit selbst zeiträumlich; sie sind eben nicht Gott selbst bzw. nicht von seiner göttlichen, überzeitlichen Substanz,13 14 stehen nicht im ersten und obersten Seinsrang, sondern sind endlich-zeitlichen Wesens, stehen also in einer nicht-göttlichen, somit abgeleiteten Seinsebene. Darum ergeben sie kei­ne zwingenden Gottesbeweise, denen die Vernunft zustimmen muss, sondern sie sind bloß Aufweise, die nur der sieht, der zu solcher Intuition fähig ist. Wenn es aber stimmt, dass das zeitlich-vergängliche Sein der Welt nicht selbstgenügsam ist, was nicht selbstverständlich ist und eigens erwiesen wer­den muss, dann muss sich aus dem wesentlich bedingten Weltsein seine not­wendige Seinsvoraussetzung, ebenjene Bedingung, ohne die es nicht existie­ren könnte, erschließen lassen. Genau das tut nun Béla von Brandenstein am Anfang seiner Metaphysik oder Wirklichkeitslehre von 1927 bzw. 1966, wenn er die Frage stellt, ob die uns bestimmende Veränderlichkeit als Zeitcharakte­ristikum anfangslos ist oder einen allerersten Anfang hat. Den entsprechenden Argumentationsgang nennt er den Wechselreihenbeweis, den er in Auseinan­dersetzung mit Aristoteles, Thomas von Aquin und Immanuel Kant minutiös ausführt und zeigt, dass alles Zeitliche notwendig einen allerersten Beginn hat, dem weder rein nichts noch ein anderes Zeitliches als zureichende Bedin­gung vorausgehen kann, sondern ein unzeitlich-überzeitliches Sein als not­wendige Seinsvoraussetzung vorausgehen muss.15 Im Rahmen eines weiteren Beweisverfahrens, das dem Wesen der Kausalität auf den Grund geht, zeigt Brandenstein schließlich, dass dieses Ursein notwendig aktiv, selbsttätig, selbstbestimmend, schöpferisch, frei und bewusst, also notwendig Person ist, womit der erste vollgültige Gottesbeweis erstellt ist.16 13 Vgl. von Brandenstein, B., Grundlegung der Philosophie, VI: Religionsphilosophie, Mün­chen-Salzburg 1968. 14 Denker, die einen univoken Seinsbegriff haben wie Meister Eckhart, Martin Heidegger und Ba­ruch de Spinoza, sprechen dagegen von derselben Seinsart in allen Wirklichkeiten. 15 Vgl. von Brandenstein, B., Grundlegung der Philosophie, III: Metaphysik/Wirklichkeitslehre, München-Salzburg 1966. 33-63. 16 Vgl. von Brandenstein, B., Grundlegung der Philosophie, III. 67-85.

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