Folia Theologica et Canonica 10. 32/24 (2021)
Sacra theologia
24 ISTVÁN NOVÁK lieh dem Volk Israel schlecht? In seiner späten Lebensphase fragte Buber, wie das Glück einer Einzelperson mit dem Glück des Judentums, des auserwählten Volks Gottes zusammenhängt. Im Zuge der geistigen und physischen Angriffe gegen das Judentum taucht die uralte Frage Hiobs auf, worin sich die Auserwähltheit Israels zeigt. 2. Das Volk und der Mensch auf der Suche nach Gott Dawidovicz äußert sich in einem von seinen Werken folgenderweise über Buber: Die Suche nach Gott ist dabei eine zentrale Achse seines Lebens und Werkes. Sie ist davon geprägt, ein dass Buber erkannte, dass wir in einer Zeit der Gottesfinstemis leben. Gott ist uns Menschen fremd geworden und wir sind meist nicht mehr fähig, ihm wirklich zu begegnen. Auch von der Philosophie erwartete Buber dabei keine rettenden Gedanken. Diese Problematik beschäftigte ihn bereits schon mit 13 Jahren, als er am 8. Februar 1891 religiös mündig und Bar-Mitzwa wurde. Er zog dabei in seiner Darlegung über Hosea 2, 21 nicht die üblichen Kommentatoren aus der rabbinischen Literatur heran, sondern eine Dichtung Schillers, Die Worte des Glaubens, und sprach über die Bedeutung von Freiheit, Tugend und Gott.10 Buber konsultiert mit besonderer Sorgfalt die jüdischen heiligen Schriften, aber er sucht auch anderswo nach dem Sinn der Botschaft der Heiligen Schrift. Vielleicht erlebte er selbst das innere Leiden der Gottesfinstemis, infolge dessen er von der Wahrheit der Suche nach der göttlichen Kraft berührt war. Auch Béla Fila setzte sich mit der Beziehung Bubers zum jüdischen Volk: Buber macht uns in seinen Werken auf den biblischen Humanismus aufmerksam. Die tiefsten Wurzeln des Schicksals und der Berufung des jüdischen Volks sah er darin, dass das jüdische Volk Gottes ein auserwähltes Volk ist, zu dem Jahwe gesprochen und dem Jahwe eine Offenbarung gegeben hatte. Die Offenbarung formte den Menschen um, und deshalb können wir über den Humanismus der Bibel sprechen: seine Urform ist eine Tat, die Ordnung schuf und Richtung wies, das Ereignis auf dem Sinaiberg, dessen großartiges sprachliches Zeugnis die Bibel ist. Die Menschheit soll zum Geheimnis ihres Ursprungs zurückkehren. Ein biblischer Mensch ist jener, der die göttliche Stimme ihn ansprechen lässt und der auf diese Stimme mit seinem Leben antwortet. Der Dialog der Bibel geht von der sprachlichen Ansprache zum Geheimnis des menschlichen Seins über. Der Ursprung ist dort, wo die Stimme und 10 Vgl. Davidowicz, K., Jede Religion ist ein Exil, in Krobath, Th. - Shakir, A. - Stöger, P. (Hrsg.), Buber begegnen. Interdisziplinäre Zugänge zu Marlin Bubers Dialogphilosophie. Wuppertal 2017. 30.