Folia Theologica et Canonica 7. 29/21 (2018)

Sacra theologia

94 ATTILA PUSKAS möglich wären, was infolge der Sünde in der Tat aber nicht oder nur entstellt geschieht. Dieser Möglichkeit war sich der Heilige Thomas bereits im Klaren und ihm folgend hatte auch das Erste Vatikanische Konzil sie in der Lehre der Motive der Gnadenoffenbarung in Betracht gezogen.29 Nun schenkt Balthasar beiden Folgen genannt im vorigen Punkt besondere Achtung: dem moralischen Moment des Philosophierens und dem Zwischen­reich, weiter oben benannt, da er in erster Reihe im Anschluss an diesen zwei Themenbereichen an die Möglichkeit christlicher/katholischer Philosophie denkt. Vorgeschichte und Kontext der Überlegungen des Schweizer Theologen ist die heftige Debatte über die christliche Philosophie zwischen 1927 und 1931, an der die namhaftesten christlichen/katholischen Denker der Zeit teil­­nahmen (Étienne Gilson, Émile Bréhier, Maurice Blondel, Jacques Maritain usw.), sich aber auch Philosophen zu Wort meldeten, die sich nicht als christli­che Denker betrachteten.30 Zur Streitfrage äußerten sich in den kommenden Jahrzehnten weitere Personen, unter ihnen auch Balthasar. Es ist anzumerken, dass der Schweizer Theologe seinen Standpunkt ohne sich ausdrücklich, ge­nannt und methodisch mit den Ansichten anderer zu konfrontieren entwickelt hat, dem Gehalt seiner Äußerung es dennoch abzulesen ist, wie er sich zu ihnen verhält. Man merkt desgleichen, dass Balthasar keine strenge Definition der „christlichen Philosophie“ gibt, sein Wortgebrauch sogar ziemlich flexibel ist: verwendet Ausdrücke wie „christliche Philosophie“, „christliches Denken“, „katholische Philosophie“ als verwandt. Dabei versucht Letzteres die Bedeu­tung der zwei Vorigen inhaltlich nicht zu verengen, kennzeichnet vielmehr bloß den praktischen Gesichtspunkt des Schweizer Theologen, der vorrangig den Philosophieunterricht an katholisch philosophischen und theologischen Institutionen vor Augen hält. Er entwirft seinen eigenen Standpunkt gelegent­lich der Beantwortung folgender drei Leitfragen: Was kennzeichnet die exis­tentielle Haltung des christlichen/katholischen Philosophen? Was ist das Gegenstandsbereich der christlichen/katholischen Philosophie? Was sind die Aufgaben christlicher/katholischer Philosophie? Seine Antwort auf die Frage, „Was kennzeichnet die existentielle Einstel­lung des christlichen/katholischen Philosophen?“, lässt sich folgenderweise rekonstruieren. Balthasars Meinung nach lebt ein zünftiger Philosoph in der leidenschaftlichen Suche der letzten Wahrheit/Weisheit und der verpflichteten Entscheidung für die gefundene Wahrheit. Dieser philosophische Eros verlangt nach vollem Einsatz der Persönlichkeit und letzte Stellungnahme angesichts der als letzte angesehenen Wahrheit. Seiner Ansicht nach: „Alle wahrhaft le-29 DH 3005. 30 So nannte z.B. Heidegger den Begriff christlicher Philosophie ein hölzernes Eisen und Miss­verständnis, siehe Heidegger, M., Einführung in die Metaphysik (Gesamtausgabe 40), Frank­furt am Main, 1983. 9.

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