Folia Theologica et Canonica 7. 29/21 (2018)

Sacra theologia

76 GÉZA KUMINETZ will in unserer Seel Gewohnheiten ausbauen, aber er bittet uns, nichts aus blos­ser Gewohnheit zu machen. Leben wir unseren guten Gewohnheiten gemäss, denn Ordnung ist das halbe Leben, aber machen wir nichts aus blosser Ge­wohnheit, sondern mit grosser Verantwortung. Zum Schluss ist hier das sogenannte ideale Ich, in dem sich sowohl die ele­mentare Kraft unserer Selbstverwirklichung als auch das gewählte Lebensideal zu finden sind. Wenn wir Christus wählen, wird er die fortwährend mir gegen­überkommende Zukunft sein, der sein Leben immer wieder vor mir lebt. Das Ideal ist unerreichbar, darum kann der Mensch seine Hoffnung auch verlieren. Christus ruft jedoch nur dazu, ihm nachzufolgen. Das Ideal als Idol kann einen auch grausam machen, Christus aber als unser Lebensideal erinnert uns wieder an seine Verfahrensweise: Barmherzigkeit will ich. nicht Opfer! Heutzutage, im Zeitalter der Wohlstandsgesellschaft erschien und zugleich bemächtigte sich unser ein neueres und vielleicht das gefährlichste Torso-Ich von uns, das sog. Konsum-Ich, mit einem anderen Namen unser selbstverwöh­nendes Ich; und zwar darum, weil wir nicht nur vor Gott sondern auch vor der Tiefe unseres Selbst eingeschlossen sind.26 Daher kommt der Zwang des Kon­sums, gefolgt von dem erbarmungslosen Streben nach dem Geld, dem Besitzen und nach dem Anerkanntsein, und das traurige Ergebnis von all dem ist der mo­ralische Zerfall. Überall befindet sich der schonungslose Wettkampf im Bilde der Arbeit; die Zukunft gehört den Hinterlistigen und den Unmenschen. Diesen Zustand können wir auch das Verlieren unseres Ichs nennen, dessen Folge auch darin besteht, dass unsere menschlichen Beziehungen nicht nur zerfallen, son­dern dass wir fast unfähig werden, solche Verbindungen herzustellen. Das be­deutet auch, dass wir nicht wissen, wie wir uns den anderen geben könnten, dass wir nicht wissen, wie wir die Liebe der anderen annehmen und empfangen könnten, denn was wir Ich nennen, ist eigentlich eine unbewohnte Festung, so - wo das Ich verloren ist, denn es hat keine Wertfülle - können wir uns auch nicht engagieren, Verantwortung übernehmen. Nicht einmal die gesehenen und erlittenen himmelschreienden Ungerechtigkeiten bewegen uns zur Empörung. Das Verlangen des menschlichen Herzens nach dem Unendlichen klebt so als eine Hoffnung des opiumvollen Trostes an die Produkte, an das Konsumieren. All das versucht auch in den Religionen Möglichkeiten zum Konsum anzugrei­fen. Auf diese Weise, während die Religion immer mehr säkularisiert wird, wird sozusagen das Kaufen und Konsumieren zum Mittel des Erfahrens des Heiligseins. Auch darum erheben sich so schnell nacheinander die Einkaufs­zentren, die heutigen Kathedralen des Konsums. Die ihre innere Welt verlorene oder diese Welt nie erfahrene Person, die durch den Verbrauch und das Herstel­u Wir dürfen nicht vergessen, dass das wahre Gebet auf einmal sogar zwei Tore in unserer Seele aufschliesst: das eine Tor öffnet das persönliche Ichzentrum, und das andere führt in den zu Gotl leitenden Pfad.

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