Folia Theologica et Canonica 6. 28/20 (2017)

IUS CANONICUM - Stephan Haering OSE, Joseph Hollweck und sein Werk „Die kirchlichen Strafgesetze“ anmerkungen anlässlich der anstehenden Reform des kirchlichen Strafrechts

226 STEPHAN HAERING OSB Kommission zur Kodifikation des Kirchenrechts nicht weniger empfohlen als seine unbezweifelbare Papsttreue. Dieses Buch bildete aber nicht nur einen Aus­weis für Hollwecks generell bemerkenswerte Fachkompetenz, sondern erwies sich, wenn man Hollwecks spätere Voten für den CIC heranzieht, quasi auch als eine Vorarbeit für das kirchliche Gesetzbuch. Die Absichten Hollwecks, die er bei Abfassung seines Werks verfolgte, und der von Pius X. erteilte Arbeit­sauftrag an die CIC-Kommission stimmten ja insofern überein, als das bereits geltende Recht systematisch zusammengefasst und nicht neues Recht geschaf­fen werden sollte. Hinsichtlich der Frage einer Verschärfung oder Milderung der gesetzlich vorgesehenen kanonischen Strafen stehen Joseph Hollwecks „Strafgesetze“ und der CIC (1917) ungefähr auf demselben Standpunkt und überlassen dem kirchlichen Richter ein weites Ermessen; sie bieten übereinstimmend nur rela­tiv allgemeine Aussagen bezüglich der Zurechenbarkeit von Taten, die als An­haltspunkt der richterlichen Strafzumessung dienen. Mit der ausdrücklichen Nennung der gehobenen Stellung des Straftäters oder auch des Geschädigten und des Missbrauchs von Autorität oder Amt durch den Täter als Strafverschär­fungsgrund (c. 2207 CIC 11917]) geht das Gesetzbuch über die „Strafgesetze“ Hollwecks hinaus. Ein förmlicher Katalog der Strafmilderungsgründe, wie wir ihn im CIC (1983) mit c. 1324 § 1 vorfinden, fehlt sowohl bei Hollweck als auch im CIC (1917) noch gänzlich. Es ist wohl als gesetzgeberischer Fortschritt zu werten, dass dem kirchlichen Richter nunmehr eine solche Orientierungshilfe für die Urteils­findung gegeben wird, wenngleich ein derartiger Katalog nie völlig abschlie­ßend sein kann (vgl. c. 1324 § 2 CIC). Letzteres lässt der universalkirchliche Gesetzgeber übrigens auch selbst in c. 1415 CCEO erkennen, wo er jedenfalls für den orientalischen Bereich keine Auflistung von Strafmilderungsgründen bietet, sondern darauf hinweist, dass solche Gründe der allgemeinen Rechts­praxis und der Doktrin entnommen werden können. Ob damit einzelne kirchliche Richter nicht überfordert werden? Zur Gerechtigkeit der richterlichen Urteile wird es gewiss beitragen, wenn der Gesetzgeber selbst auch in einem künftigen kodikarischen Strafrecht entsprechende Anhaltspunkte für die richterliche Straf­zumessung gibt, sei es hinsichtlich der Verschärfung, sei es hinsichtlich der Mil­derung der Strafe.

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