Folia Theologica et Canonica 5. 27/19 (2016)

SACRA THEOLOGIA - Mihály Kránitz, Die Kirchen für Europa

36 MIHÁLY KRANITZ Das Übernehmen des Dialogs ist bereits eine charakteristische Eigenschaft der Vertreter der Kirche. Darauf deutet das Gespräch von Joseph Ratzinger (1927-) und Jürgen Habermas (1929-) in München über die Beziehung des Staates und der Kirche sowie über die des Glaubens und der Vernunft.20 Die großen Fragen Europas können wir nur so lösen, wenn wir den Mut haben, auch die Empfehlungen der Kirche und der Kirchen zu erwägen. Dazu hat sich der offene Brief der KEK erboten, den sie vorläufig an die Kirchen versandt hat, aber auf die brennenden Fragen muss eine „gemeinsame“ Antwort gegeben werden. Etwas Ähnliches formuliert der Prefekt der Kongregation für die Glau­benslehre Gerhard Ludwig Müller (1947-), wenn er erörtert, dass die Kirche in der modernen Gesellschaft auch mit der Erscheinung des „Gottvergessens“ rechnen soll.21 Damit zusammen muss sie natürlich auch über den Menschen selbst sprechen, denn heute leben wir in einer Art Antropologie-„Irrtum“. Die Professorin für Fundamentalheologie an der Päpstlichen Universität Gregoria­na in Rom Michelina Tenace (1954-) versucht das „Menschenbild“ zu bestim­men, weil der Westen in einer kontinuierlichen „Bildzerstörung“ lebt, aber der Mensch kann niemals neutral und ohne Gott sein.22 2,1 Einer der bekanntesten Dialoge verlief zwischen dem Erzbischof Ratzinger und dem Philoso­phen Habermas im Januar 2004 an der Katholischen Akademie in Bayern von den moralischen Grundlagen des freisinnigen Staates. Siehe: Habermas, J. - Ratzinger, J., Dialektik der Säku­larisierung. Über Vernunft und Religion, Freiburg 2005. Ratzinger stellt fest: „In der Beschleu­nigung des Tempos der geschichtlichen Entwicklungen, in der wir stehen, treten, wie mir scheint, vor allem zwei Faktoren als Kennzeichen einer vor dem nur langsam anlaufenden Entwicklung hervor: Da ist zu einen die Ausbildung einer Weltgesellschaft (...) Das andere ist die Entwicklung von Möglichkeiten des Menschen, von Macht des Mächens und des Zerstörens." (Seite 40). 21 Vgl. Müller, G. L„ Der vergessene Gott! Gotteserfahrung in unserer Zeit7, in Augustin, G. (Hrsg.), Die Gottesfrage heute, Freiburg 2009. 58-72. 22 Vgl. Tenace, M., Dire l’uomo. Dall'immagine di Dio alla somiglianza. La salvezza come divi­nizzazione, Lipa Edizioni, Roma 2014. „Si deve parlare di »iconoclasmo« permanente dell’Oc­­cidente in ogni aspetto della vita intelletuale e morale. Se il tema dell’immagine di Dio è ancora da sviluppare ulteriormente in teologia, è vero che oggi gode di ampia consoderazione ed è con­siderato il punto di partenza di ogni riflessione di antropologia teologica." (Seite 55) Einer ähn­lichen Meinung ist der Dekan der Philosophischen Fakultät der Institut Catholique, Emmanuel Falque (1963-), wenn er die Vertreter des atheistischen Humanismus mit der Endlichkeit des Menschen und der Lehre der Auferstehung gegenüberstellt. Vgl. Falque, E., Athéisme moderne et puissance de la resurrection, in Parole et Science 122: Une théologie après la modernità? (Novembre-Décembre 2007) 69-1 17.

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