Folia Theologica et Canonica 5. 27/19 (2016)
SACRA THEOLOGIA - Imre Kocsis, Die Gnade Gottes und der Heilige Geist in der Rechtfertigungslehre des Apostels Paulus
DIE GNADE GOTTES UND DER HEILIGE GEIST IN DER RECHTFERTIGUNGSLEHRE. .. 25 Die Christen erfahren sowohl die Intimität als auch die Wirksamkeit der Gottesliebe durch den Heiligen Geist. 3. Unter der Herrschaft der Gnade Im weiteren Teil der Erörterung über die Rechtfertigung wird die große Wende im Leben der Glaubenden als Herrschaftswechsel bewertet. Die Herrschaft der Sünde wurde durch die Herrschaft der Gnade abgelöst. „Denn wie die Sünde herrschte und zum Tod führte, so soll auch die Gnade herrschen und durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben führen, durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (Rom 5,21). Wie es aus der typologischen Gegenüberstellung von Adam und Christus sichtbar wird, gründet dieser Herrschaftswechsel auf der „Gnade Christi“, das heißt auf seiner Erlösung bewirkenden Gnadentat (Rom 5,15). Für den Gläubigen wird der Übergang aus dem Machtkreis der Sünde in den Wirkungskreis der Gnade in der Taufe Wirklichkeit. Darüber spricht Paulus im 6. Kapitel des Römerbriefes. Der Getaufte lebt „für Gott in Christus Jesus“ (Röm 6.11 ) „unter der Gnade“ (6,14), das heißt sein Leben wird durch die Nähe Gottes und die Lebensgemeinschaft mit dem auferstandenen Christus bestimmt. Das neue Leben hat eine neue Lebensform zur Folge: Der Christ dient nicht mehr der Sünde, sondern „der Gerechtigkeit“ (8iKOUOOÚvr|), deren Frucht die Heiligung und deren Endziel das ewige Leben ist (6,22). Es fällt auf, dass der Apostel in Röm 6 den Heiligen Geist gar nicht erwähnt, obwohl er an anderen Schriften die große Wende eindeutig dem Geist Gottes zuschreibt.23 Aber im 8. Kapitel, das als Höhepunkt der Erörterung über die Rechtfertigung anzusehen ist, stellt er gerade die Funktion des Heiligen Geistes in die Mitte der Aufmerksamkeit. Hier wird es klar, dass das durch die Taufe erhaltene neue Leben durch den Geist Gottes, der zugleich Geist Christi ist (Röm 8,9), vermittelt wird, und die dem neuen Leben entsprechende neue Lebensform ebenso durch ihn sich realisiert. Der Geist „wohnt" nämlich in den Getauften (Röm 8,9), regt sie innerlich an und bewegt sie zum Guten.24 Es darf nicht außer Acht bleiben, dass die Befreiung von der Herrschaft der Sünde, nach der Auffassung von Paulus, die Befreiung von der Herrschaft des Gesetzes mit sich zieht: „Die Sünde soll nicht über euch herrschen; denn ihr steht nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade“ (Röm 6,14). Im Hintergrund dieses Satzes steht die paulinische Ansicht, dass die Sünde gerade 23 Vgl. zum Beispiel 1 Kor 6,11 : „Aber ihr seid rein gewaschen, seid geheiligt, seid gerecht geworden im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unseres Gottes.“ 24 Zur Beziehung zwischen Röm 6 und Röm 8 vgl. Lorenzi, L. de (Hrsg.), Battesimo e giustizia in Rom 6 e 8, Roma 1974.