Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)
SACRA THEOLOGIA - Hermann Stinglhammer, Die beste aller Welten? Kann man angesichts von Katastrophen noch an einen guten Schöpfer glauben? - Fundamentalteologische Erkundungen
DIE BESTE ALLER WELTEN?... 87 2. Dass endliches Leben nicht ohne Leid zu haben ist, betrifft auch den Schöpfer selbst. Wenn er eine Schöpfung will, in der ein Mensch in geistiger Freiheit möglich sein soll, muss er die Voraussetzungen dieser endlichen Werdewelt in all ihren positiven und negativen Implikationen in Kauf nehmen. 3. Im Ergebnis heißt dies, dass der Glaube angesichts dieser konkreten Welt, wie wir sie kennen, nicht unvernünftig oder gar widersinnig erscheinen muss. Allerdings ist dies innerhalb einer evolutiven Hermeneutik nur möglich, wenn auf den monokausalen Allmachtsgedanken der klassischen Metaphysik verzichtet wird. V. Göttliche Allmacht und das Leid einer evolutiven Welt Wenn die evolutive Welt der Raum ist, zu der sich Gott in seinem allmächtigen Schöpfersein bestimmt hat und er so alle kreatürlichen Kausalitäten synkreativ darin einbezieht, bedeutet dies, dass er auch selbst von den Negativa dieser Schöpfung tangiert wird. Mit anderen Worten: Der Gott, der in und durch diese Schöpfung seiner Option vom „Leben in Fülle“ (Joh 10,10) für das endliche Sein verfolgt, wird selbst vom Leiden und Schmerz der Schöpfung betroffen. Dies kann aber gewiss nicht heißen, dass Gott dadurch zum tragischen Schöpfer und also zuletzt erlösungsbedürftig durch die Schöpfung wird. Allmachtstheologisch differenziert und mit Eberhard Jüngel gesprochen ist Gottes Wirken in der Schöpfung dann als eine „Einheit von Leben und Tod zugunsten des Lebens“12 zu bestimmen. Damit erscheint Gottes Leiden in der Schöpfung in der Umkehrung zum monokausalen Allmachtsbegriff als positive Möglichkeit der göttlichen Seinsfülle. Insofern könnte man den Begriff des Kraftfeldes, den W. Pannenberg pneumatologisch ausgewertet hat, dergestalt anwenden, das Gott in seiner allmächtigen Einheit von „Leben und Tod zugunsten des Lebens“ als jener Kraftfeld einer evolutiven Welt zu denken ist, indem er sie auf das Telos des Füllelebens begleitet, sofern das göttliche Maximum des Seins auch das endliche Sein bis hinein zum Minimum des Leidens und Nichtseins als Ausdruck seiner freien Allmacht unterfassen kann: „Non coerceri maximo, tarnen contineri minimo, divinum est.“ (Ignatius von Loyola/Hölderlin). Diese Perspektive folgt der Spur der rabbinischen Auslegung der göttlichen Schekinah wie auch der patristisch-origenistischen13 Interpretation des Kreuzes als der compassio Gottes mit der leidenden Kreatur als ganzer. Damit würde sich eine sühnetheologische Kreuzestheologie auf ihre schöpfungstheologischen 12 Jüngel, E., Gottes ursprüngliches Anfängen als schöpferische Selbstbegrenzung, in Jüngel, E., Wertlose Wahrheit, München 1990. 150-162, hier 160. 13 Vgl. Origenes, Ezechiel - Homilie, VI. 6. Vgl. dazu auch sehr eindrucksvoll Kitamori, K., Theologie des Schmerzes Gottes, Göttingen 1972.