Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)
SACRA THEOLOGIA - Hans Mendl, Wenn der Tod einbricht (...) Kinder, Gott und das Leid
WENN DER TOD EINBRICHT (...) KINDER, GOTT UND DAS LEID 53 von vielen Leiden erlöst worden sei, aber von jemand anderem wollte sie das nicht hören.“2'’ Christoph Hein verdeutlicht in „Mama ist gegangen“ (Hein 2003, 46f), wie sensibel Kinder auf die Strategien der Erwachsenen reagieren; die Bekannten kümmern sich nach dem Tod der Mutter um die Kinder und reden viel über sie; die Kinder sind zunehmend von dieser Fürsorge und dem vielen Reden genervt. Der Vater wirbt um Verständnis: „Aber sie meinen es doch gut mit euch!“ Der Sohn antwortet pointiert: „Ja, aber so viel Rücksicht ist einfach rücksichtslos.“26 27 Die Haltung des Beistands und des Tröstens ist einerseits zutiefst christlich; andererseits sollte sie sensibel gehandhabt werden und als Maßstab die Bedürfnisse des vom Leid Betroffenen und nicht die eigene Hilflosigkeit und den daraus resultierenden Zwang, etwas zu sagen oder zu tun, haben. Professionelle Trauerhelfer wissen um die Problematik dieser Strategien: „Dabei hilft es oft dem Trauernden in der ersten Zeit seines Verlustes wenig, dass z.B. sein Kind jetzt vielleicht in einer besseren Welt aufgehoben ist. In diesem Augenblick braucht er Menschen, die ihn und seine Situation einfach aushal- ten, die da sind, die ihm zuhören“28, meint der Bestatter Fritz Roth. Und damit sind wir beim christlichen Hauptargument angelangt! „Alles hat seine Stunde“ (Koh 3,1)- manche Antworten, die in der unmittelbaren Situation des Trauems als unangemessenen erscheinen, können nach Jahren durchaus an Bedeutung gewinnen: Wenn beispielsweise ein Mensch erkennt, dass er durch die Verarbeitung der Leiderfahrung tatsächlich gereift ist und etwas gelernt hat, oder wenn die Menschheitsgemeinschaft zehn Jahre nach dem Tsunami rückblickend erkennt, wie aus dem Fluch ein Segen wurde, weil die Hilfsbereitschaft gewaltig war und inzwischen auch die Frühwarnsystem weltweit optimiert wurden. 3. Das christliche Argument: Solidarität Der christliche Gott ist in erster Linie ein solidarischer Gott, den das Leiden seines Volkes anrührt. Schon das Alte Testament zeigt diesen Gott. Das Gespräch mit Mose vor dem brennenden Dornbusch, wie es im biblischen Buch Exodus dargestellt wird, eröffnet Gott so: „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen, und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid“ (Ex 3,7). Der jüdisch-christliche Gott wird verstanden als einer, der den Menschen auch im Letzten hält, ein Gott, der das Leiden nicht will, aber dem Menschen hilft bei der Bewältigung des Leids. 26 Laird, E., Ben lacht. Deutsch von Irmela Brender, Hamburg 1991. 126. 27 Hein, Ch., Mama ist gegangen, Frankfurt 2003. 46f. 28 Lebendige Seelsorge (5/2004) 327.