Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)

SACRA THEOLOGIA - Attila Puskás, Traditionsauslegung am Konzil von Trient

80 ATTILA PUSKAS I. Die grundsätzliche dogmatische Zielsetzung des Konzils2 Das Tridentinum suchte eine zweifache Antwort auf die Herausforderung der Reformation zu geben. Einerseits versuchte es häretische Ansichten auszurot­ten und den christlichen Glauben mit unbedingter Geltung zu formulieren. Andererseits machte es sich zum wichtigsten Anliegen, die ganze Kirche, das Priestertum und das gläubige Volk zu erneuern.3 Wie es auch aus der Ge­schichte des Konzils und den Dekreten klar und deutlich hervorgeht, ist die zweifache Zielsetzung zusammen erreicht worden, da in jeder Sitzung des Konzils die dogmatischen und die Reformfragen zusammen besprochen, die dogmatischen und Reformdekrete zusammen beschlossen worden sind.4 Von der Bestimmung der doctrina fidei, welche Irrlehren verwies, wurde Einheit und Friede der Kirche erwartet. Im Mittelpunkt der von Luther eingeführten Reformation stand die Frage der Rechtfertigung. Der Wittenberger Reformator setzte den Glaubenssatz der Rechtfertigung des Sünders durch Gottes Gnade als höchstes Maß jeder kirch­lichen Lehre und des ganzen kirchlichen Lebens.5 Er sah in Lehre und Praxis der römischen Kirche die Entstellung und Verfälschung dieses zentralen Glau­2 Das erste tridentinische Dekret über den Beginn des Konzils bestimmt diese Zielsetzung wie folgt: Glaube und Religion des Christentums zum Lob der Dreifaltigkeit zu entfalten und zu erheben, Häresien auszurotten, Einheit und Friede der Kirche, Erneuerung des Klerus und des christlichen Volkes und der Sieg über die Feinde des Christentums. Dazu siehe: Decretum de inchoando concilio (1545.12.13.), in Dekrete der ökumenischen Konzilien (Hrsg. Wohlmuth, J.) - Conciliorum Oecumenicorum Decreta (Hrsg. Alberigo, G.), Bd. 3, Schöningh, Pader- born-München-Wien-Zürich 2002. 660,5 (Im Weiteren: COD). Mit Feinden des Christentums werden höchstwahrscheinlich die derzeit größte Bedrohung des europäischen Christentums bedeutenden Türken gemeint, die inzwischen Ungarn zum größten Teil besetzt haben. Nach der Wortwahl der Confessio Augustana ist die Bedeutung des Ausdruckes eindeutig „die Türken die meist grauenhaften, hereditären und alten Feinde des christlichen Namen und der Religion“ (CA Vorwort, 1 ). Siehe: Augsburger Bekenntnis. Dabei kommt das Bewusstsein der politischen Bedeutsamkeit des Konzils zum Ausdruck, die höchste Erwartung an das Konzil seitens Karl V., deutsch-römischen Kaiser und Ferdinand, König von Ungarn und Böhmen. Ist Einheit und Friede der Christen durch die Ausrottung der Irrlehren und die Reform des kirchlichen Lebens wiederherzustellen, mag das vereinte Christentum über genügende Kraft verfügen, die erobern­den Türken zu besiegen. 3 Dieselbe zweifache Zielsetzung kam zum Ausdruck in der zweiten Sitzung (7.1.1546), welche Verhalten und Geist der Teilnehmer in den Sitzungen und während der Konferenz bestimmte. Mit der Vertreibung des Schattens der Häresien soll das Licht der katholischen Wahrheit aufstrahlen und all das, was der Erneuerung bedarf, sich erneuern, „(...) sollicitudo et intentio sit, ut propulsatis haeresum tenebris (quae per tot annos operuerunt terram) catholicae veritatis lux (Iesu Christo, qui vera lux est, annuente), candor puritasque refulgeat et ea, quae reforma- tione egent, reformentur”. COD 661,15. 4 Siehe: Jedin, H., Geschichte des Konzils von Trient, II: Erste Trienter Tagungsperiode (1545/47), Freiburg 1957. 23-29. s „Articulus iustificationis est magister et princeps, dominus, rector et iudex super omnia genera doctrinarum, qui conservât et gubernat omnem doctrinam ecclesiasticam et erigit conscientiam nostram coram Deo. Sine hoc articulo mundus est plane mors et tenebrae.” WA 39 I, 205, 2. „Isto articulo stante stat Ecclesia, niente ruit Ecclesia” WA 40 III. 352, 3.

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