Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Die „Religionsphilosophie” Johann-Gottlieb Fichtes. Ihre Hintergründe und ihre Aktualität
126 ZOLTÁN ROKAY 3. Die Gleichsetzung göttlicher Gegenwart mit zwischenmenschlicher Beziehung. (Fichtes „Gemeine der Heiligen” und ihre Gesetze sind mit dem „Sein Gottes identisch” - hier spielt Stadler auf Gogarten an).112 Ich vertrete einen etwas einfacheren Standpunkt. Der lautet: Fichte war ein Kind der Aufklärung (die manchmal durch Orthodoxie oder Pietismus „unterbunden” war). Im Sinne der Aufklärung ist von der Religion und Offenbarung beizubehalten, was mit der Vernunft konvergiert und der „Verbesserung” (des Herzens, des Menschen, der Welt) dient, so wie auch Jesus ein Lehrer desselben Programms war, ganz so wie das Lessing, Rousseau und Kant wollten. - Es soll allerdings zugegeben werden, dass Fichte Kant erst nach der Unterbrechung seines Studiums entdeckt und seine Gedanken ihm akkomodiert hat. Während des Studiums hatte er die von der Orthodoxie umstrittene Philosophie der Leibniz-Wollf sehen Schule kennenlernen können, sowie eine Art - ebenso umstrittenen Deismus. - Die etwaige Kant-rezeption (welche ja zwischen den Jahren 1781-1787 schon möglich gewesen wäre) hat ihn anscheinend nicht erreicht. Vollständigkeitshalber soll gesagt werden, dass sich nicht nur Stadler über die Aktualität Fichtes, und zwar unter dem Aspekt der Gottesfrage geschrieben hat. Das hat auch Reinhard Lauth (+2007), der „Spiritus rector” der kritischen Gesamtausgabe der Werke Fichtes getan in seinem Aufsatz: Die Bedeutung der Fichteschen Philosophie für die Gegenwart (In: Philosophisches Jahrbuch 70. 1962/63. 252-270). Er betrachtet Descartes Entdeckung von „cogito”, des transzendentalen Prinzips, für Begründung der transzendentalen Philosophie, welche dann Fichte ausgeführt hat.113 Er bedauert nur, dass „der Orden, der mehr als alle anderen das, was die Zeit verlangte, verstehen musste (die Jesuiten? - R. Z.), es verhindert hat, dass die Descartesche Philosophie von den katholischen Gelehrten akzeptiert wurde, wie es die Oratorianer erstrebten. Die Folge davon war, dass sich die Kirche neben die neuzeitliche Entwicklung der Philosophie gestellt hat und in der Gefahr steht, nicht mehr mitsprechen zu können, sondern nur noch eine solche katholische Philosophie für die Gläubigen zu bieten, die nicht reine Wissenschaft, sondern auf Anleihen aus dem Glaubensschatz fundiert ist.”114 - Nach der Meinung Lauths ist der Boden der autonomen Philosophie „ein unparteiisches Feld, wo sich der Christ dem unchristlichen Gegner unter gleichen Bedingungen stellen kann.”115 - Wieso 112 Ebd. 541. Unter Nennung von Dorothe Solle, als Verfasserin des Artikels „Gogarten”, in Schulz, H. J. (Hrsg.), Tendenzen der Theologie im 20. Jahrhundert. Eine Geschichte in Porträts, Stuttgart 1967. 291-295. 113 Lauth, R., Die Bedeutung der Fichteschen Philosophie für die Gegenwart, in Philosophisches Jahrbuch 70 (1962/63) 252. 114 Ebd. 268f. 115 Ebd. 269.