Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Die „Religionsphilosophie” Johann-Gottlieb Fichtes. Ihre Hintergründe und ihre Aktualität
120 ZOLTÁN ROKAY die geringste Erwägung zu tun bis er im Jahre 1798 die Resultate seines Philoso- phierens über diesen Gegenstand mitteilte. Diese Behauptung stammt aus dem Jahre 1806, also lange nach dem Ausklang des Atheismusstreites. VI. Die „vielfache Darstellung” der Philosophie Fichtes: zwischen Offenbarungsschrift Die „vielfache Darstellung” der Philosophie Fichtes bedeutet den schriftlichen und mündlichen Vortrag seiner Wissenschaftslehre. Im ersteren findet man kaum etwas - mindestens explizit - über das Thema: Religion-Gott. Die Sittenlehre und das Naturrecht (von den gedruckten Schriften) setzt eine andere Wissenschaftslehre voraus, nicht die „Grundlage” von 1794/95, welche erst bogenweise erschienen ist. Diese „andere” Wissenschaftslehre ist unter dem Titel „Wissenschaftslehre nova methodo” bekannt, so kündigte sie Fichte im Vorlesungskatalog 1796/97 und 1797/98 für den Wintersemester an. Die einzelnen Abweichungen und der grundlegende Unterschied kann hier nicht besprochen werden. Es soll eine Äußerung Fichtes über die Abweichung der Wissenschaftslehre von dem „Buchstaben” des Kant’sehen Systems im Punkt der Gottesfrage genügen. Sie lautet: „Hier weicht die Wissenschaftslehre vom Buchstaben des kantischen Systems ab, welches den Vorstellungen von Gott nur subjektive Gültigkeit zuschreibt, indem Kant die Sache ganz richtig angesehen aber sie nur einseitig dargestellt hat. In der Wissenschaftslehre aber ist beides: Welt und Gott objektiv und subjektiv wahr. Kant sagt nemlich: man macht sich Gott - ganz richtig; allein ebenso macht man sich die Welt, und insofern sind beide subjektiv, d.h. abhängig von unsrer Vernunft; sie erfolgen notwendig beide aus einem Gefühl, wenn ich mich dem Gefühle hingebe. Allein aus eben dem Grunde haben auch nach Kants Geist die Weltvorstellungen und Gott eben die nemlich objektive Gültigkeit, indem beiden Vorstellungen zu folge ein Gefühl gesetzt wird, in dem beide dadurch entstehen, wenn man auf die beiden Gefühle derselben reflektiert, beide sind eben so notwendig objektiv als subjektiv, i. e. abhängig von unserer Vernunft.”89 90 Neben der „Abweichung” von Kant scheint das wichtigste zu sein: „man macht sich Gott - ganz richtig”; und: „den Vorstellungen von Gott nur subjektive 89 Schelling, G. W. J., Darlegung der wahren Verhältnisse der Naturphilosophie zu der verbesserten Fichte’schen Lehre (1806) [Sämtliche Werke], Stuttgart-Augsburg 1856ff. 1/7. 25. 90 GA IV, 2. 96f.