Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Die „Religionsphilosophie” Johann-Gottlieb Fichtes. Ihre Hintergründe und ihre Aktualität
106 ZOLTÁN ROKAY kér Betonung des Satzes vom zureichenden Grunde. Was ihn bekannt gemacht hat, sind seine „Philosophischen Aphorismen” in zwei Bänden. Sie erlebten mehrere Auflagen, darum können sie auch die abwechselnde Lage der Diskussion von damals verhältnismässig treu widerspiegeln.29 Platner selbst hat sich in eine Streitigkeit verwickelt, und musste sich gegen den Verdacht des Deismus vor dem Oberkonsistorium verteidigen.30 Er vertrat eindeutig ganz im Sinne von Leibniz den Satz von dem zureichenden Grunde.31 Auf der Titelseite seiner Aphorismen ist das Bildnis von Leibniz zu sehen. Fichte hat die erste Auflage des ersten Bandes (1776) der Aphorismen benützt und in seinen Vorlesungen sich damit kritisch auseinandergesetzt, bis zum Jahre 1812. Platner setzt sich mit der Frage der Freiheit und Notwendigkeit auseinander. Er argumentiert folgenderweise: alles mögliche ist notwendig, da das Gegenteil des Möglichen unmöglich ist und das Notwendige das Gegenteil von unmöglich ist. - „Die Thätigkeiten freier Substanzen nothwendige Folgen bestimmender Ursachen und alle zukünftige Zustände der ganzen Welt in dem gegenwärtigen gegründet sind (...) was klar aus der Anwendung des Gesetzes vom zureichenden Grunde auf die wirkenden Ursachen wird.”32 „Andererseits sind auch freye Thätigkeiten welche nicht nothwendige Wirkungen bestimmender Ursachen wären (...) unmöglich. Das folgt aus den obigen Gesetzen. Jedoch heben diese Gesetze weder die Freyheit noch die Moralität auf.” - Platner behauptet, es gäbe drei verschiedene Wege, wie man mit dieser allgemeinen Notwendigkeit umgehen kann: die unbedingte Notwendigkeit, ohne Rücksicht auf göttlichen Ratschluss; bedingte Notwendigkeit vom göttlichen Ratschluss abhängig; völlige Zufälligkeit. - Es leuchtet ein, dass die zweite Alternative die richtige ist, welche die Freiheit und Moralität nicht aufhebt, solange sie richtig verstanden wird.33 Trotz der Kritik an Platner, hat Fichte über Leibniz mit Anerkennung gesprochen,34 anders als die Kritik Kants, richtete Fichtes Ausgangspunkt (das Ich. die Tathandlung) nicht gegen die Auffassung von Leibniz von dem zureichenden Grunde und der prästabilisierten Harmonie.35 Platner bekennt selbst in der Ausgabe seiner Aphorismen von 1792, dass er in der letzten Ausgabe die Kritik Kants wenig berücksichtigt hat.36 In der ersten Auflage (1776) konnte er das gar nicht tun, und 1784 hörte Fichte nicht mehr Platner. Dass Fichte eine etwaige Konfrontation Platners mit Kant nicht 29 Vgl. Kühn, M., Johann Gottlieb Fichte, 75ff. 30 Ebd. 31 Ebd. 32 Ebd. 76. 33 Ebd. 34 Vgl. n. Einleitung in die Wissenschaftslehre, Abschnitt 10. GA I, 4. 265; sowie Die Bestimmung des Menschen (Ausgabe von Meiner, F.) 137; sowie Medicus, in Fichtes Werke in sechs Bänden, I. Leipzig 1922. 98. 35 Vgl. die unter 34 angeführten Stellen. 36 Platners, E., Philosophische Aphorismen', sowie GA, II. 4. (III) Vorrede.