Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Leo Scheffczyk und die Tübinger Schule

LEO SCHEFFCZYK UND DIE TÜBINGER SCHULE 93 Auf deutschem Boden war die kant’sehe Kritik entscheidend, welche die ge­samte Religion in das Praktische überwies, natürlich auf den Ideen eines Spino- za/Lessing und Rousseau bauend. Offenbarungskritik wurde zum Schlagwort und die Leibniz-Wolff’sehe Scholastik (von der katholischen, vorwiegend je­suitisch inspirierten ganz zu schweigen) konnte nur noch in ihren merkwürdi­gen (vorwiegend kirchlichen) Residuen ihr karges Dasein weiterfristen, aber mit einer Resonanz in der philosophischen Öffentlichkeit kaum rechnen. Auch der Idealismus, dessen Korifäer: Fichte, Schelling und Hegel sich je für authentische Interpreten Kants ausgaben, und als solche aufgetreten sind, trotz der regen Kontakte Schellings mit der katholischen Romantik, blieb - „konfessionalistisch“ gesprochen, eher eine innerprotestantische Angelegen­heit. Erst die Konvertiten der Romantik: Friedrich von Schlegel5 und Friedrich Leopold Graf zu Stolberg6 lenkten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in „Erweckung“ von Sailer: „Es vollzieht sich die Wende von der Theologie des Begriffes zur Theologie des Herzens“; vgl. Geiselmann, J. R., Die theologische Anthropologie Johann Adam Möhlers, Freiburg 1955. 95. Daher ist die ganze Ekklesiologie und die imposante Pastoraltheo- logie von Sailer zu verstehen (vgl. ebd.). Sailer war keine eindeutige Persönlichkeit. Seine Mit­telstellung zwischen Rationalismus und Romantik, Idealismus und Orthodoxie hat das mitver- anlasst. Joseph Ratzinger sagt von ihm: „Eine ganz andere Grössenordnung wird sichtbar, wenn wir auf die Gestalt des nachmaligen Regensburger Bischof, Johann Michael Sailer stossen (...) noch 1819 scheiterte seine Ernennung zum augsburger Bischof unter anderen an Widerstand des später heiliggesprochenen Clemens Maria Hofbauer, der immer noch einen Aufklärer in Sailer sah. Auf der anderen Seite war schon 1806 sein Schüler Zimmer mit dem Vorwurf der Reaktion von der Universität Landshut entfernt worden, in der man Sailer und seinen Kreis als die eigentlichen Gegner der Aufklärung anfeindete: Derselbe Mann, den Hofbauer noch immer für einen Aufklärer hielt, wurde von deren wahren Trägern als ihr gefährlichster Gegenspieler durchschaut“ Ratzinger, J., Wie wird die Kirche im Jahre 2000 aussehen?, in Glaube und Zu­kunft, Kösel 1970. 116 f. Ratzinger gibt zu, dass CI. Maria Hofbauer „in mancher Hinsicht eng­herzig war“ (so charakterisiert ihn auch der einschlägige Artikel in LThK; vgl. wie oben, 119.). Aber es ist auffallend, dass so wie auf der Seite Sailers Namen wie Kant, Jacobi, Schelling und Pestalozzi als Gesprächspartner erschienen, gehörten zum Kreis Hofbauers Schlegel, Brentano und Eichendorff (vgl. ebd.). Selbst Sailer äußert sich über die „Affaire“ mit folgenden Worten: „Was das Hofbauersche Zeugnis wider mich aussagt, ist allerdings schauerlich zu lesen, allein, ich darf mit Paulus sagen: Gott ist mein Zeuge, dass ich nicht lüge: es ist nicht eine einzige An­gabe wahr, alles rein erdichtet, und der gute Hofbauer hat sich diese Fabeln nur von einigen ge­gen mich feindlich gesinnten Professoren in Augsburg, die mich eben von Dillingen wegläster­ten in seinen Kopf einbilden lassen können, und ich darf ohne Anmassung sagen: Ich trage diese Schmach Christi um der Gerechtigkeit willen und trage sie mit Freude. Übrigens waren mir diese Hofbauerschen Karikaturen nicht neu (... )“ Sailer an Joh. Nepomuk Ringreis, Landshut, den 25. August, 1820, in Sailer, J. M. Briefe (Hrsg. Schiel, H.), Regensburg 1952. 458^159, Nr. 440. 5 Friedrich Schlegel (1772-1829) 1808 konvertierte zur Katholischen Kirche. Über ihn und sei­nem Werk s.: Ueber Friedrich von Schlegel (von Windischmann, C. J. H.), in Herold des Glau­bens, 1838. Nr. 24-28. sowie ders. Gedanken eines katholischen Philospohen. Ebd. Nr. 130— 136. Sowie: Staudenmaier, Dr., Andenken an Friedrich von Schlegel, in Theologische Quartal- schrift (1832) 608-650. 6 Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750-1819) fürstbischöflicher (ev.) Kammerpräsident kon­vertierte mit seiner Familie in Münster unter dem Einfluss von Prinzessin Gallizin, der führen-

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