Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

SACRA THEOLOGIA - Géza Kuminetz, Die Tugend des Gehorsams als Grundlage des klerischen das Heißt des kanonischen Gehorsams

64 GÉZA KUMINETZ einem bestimmten Befehl gezwungen wird, wobei er erpressen oder seine Cha­rakterschwäche ausgenutzt wird. Und der Gehorchende so, dass er Verdacht hegt, dass der Befehlende unter Zwang handelt oder mit dem erteilten Befehl seinen Wirkungskreis überschreitet, oder Sünde befiehlt, oder wenn er beim Befehlen in bedeutendem Masse ungerecht ist. In diesen Fällen muss sowohl der Vorgesetzte als auch der Untergebene die Stimme des Gewissens befolgen, nicht gehorchend dem Zwingenden beziehungsweise nicht gehorchend dem rechtswidrigen, aber jede äußere Eigenartigkeit der Rechtmäßigkeit besitzen­den Befehl, sich damit auch die schweren Folgen auf sich nehmend. Letzen En­des ergibt Segen oder Fluch für die Person und die Gesellschaft sowohl die ständige Unzufriedenheit als auch der andauernd ungerechte Befehl. Auf solche Weise entstehen die quackelnde Massen und die Despoten. Selbst die Geschich­te der Kirche kann so modellisiert werden, dass der Mass der besseren oder schlechteren Erkenntnis und Durchsetzung des Befehls Gottes schwankte, be­ziehungsweise fester und dauerhafter, oder vorübergehend und schwächer war. Die Worte von János Scheffler möchte ich nicht nur als Vorwort sondern auch als Schlusswort zitieren: „Was bisher gesagt wurde, ist nur die rechtliche Seite des Gehorsams. Das irdische Reich Christi wird jedoch nicht nach dem trockenen Recht aufgebaut, die Mitglieder der Kirche sind nicht durch die Fes­seln des Zwanges und durch die Angst vor Strafe zusammengehalten, sondern durch das Band der Liebe, das vinculum caritatis. (...) Die Hingabe des Bischofs für den Heiligen Stuhl, der vertrauensvolle Gehorsam und die Zusammenarbeit des Klerus mit dem Bischof, die liebevolle und begeisterte Anhänglichkeit des Volkes an seinen Seelsorger und an die katholischen Angelegenheiten: das ist das dreifache Band, von dem das Buch Qohelet sagt: funiculus triplex difficile rompitur, das heisst eine dreifache Schnur reißt nicht so schnell. Beim Priester von Christus kann der Gehorsam kein erzwungenes, durch Strafsanktionen und Suspension erpressen es Opfer sein, sondern rationale obsequium und iugum suave. Rationale obsequium wird es sein, wenn es aus der tiefen Überzeugung kommt, dass jede Subordination auf der Bestellung von Christus beruht, dass der dreifache Gehorsam die Grundlage für die göttliche Verfassung der Kirche und der Erhalter der Disziplin ist: zwischen Gläubigen und Priestern, Priestern und Bischöfen, zwischen Bischöfen und dem Heiligen Stuhl. Iugum suave wird das sein, wenn jeder Priester von dem Bewusstsein durchdrungen wird, dass der Gehorsam mehr wert als das Opfer ist, dass er eine der höchsten priester- lichen Tugenden ist. Sie ist eine spezifisch katholische Tugend und eine unent­behrliche Grundlage für die Entwicklung der Seele. (...) Die beschriebenen Rechtsnormen sind also nur allgemeine Züge, Grenzmarkungen, die ohne Sün­de nicht mehr überschritten werden können. Wer jedoch vom Herzen gehorsam ist, wer vom Geist des Gehorsams durchdrungen ist, wird nicht mehr ständig nach den Wamungszeichen forschen, sondern mit voller Hingabe sogar den Wunsch seines Oberen erfüllen; (...) der kanonische Gehorsam ist die größte

Next

/
Thumbnails
Contents