Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)
SACRA THEOLOGIA - Géza Kuminetz, Die Tugend des Gehorsams als Grundlage des klerischen das Heißt des kanonischen Gehorsams
32 GÉZA KUMINETZ Die Verfasser betrachten die Demut (humilitas), Ehre (reverentia), die Bescheidenheit {modestia), die Gerechtigkeit (iustitia), Geduld (patientia), Sanftmut (mansuetudo, lenitas) als mit dem Gehorsam verwandte Tugenden.40 Beinahe ein jeder von ihnen ist auch als eine spezifisch wichtige klerische Tugend betrachtet, die Abwesenheit von einigen von ihnen war sogar lange Zeit ein Hindernis der Priesterweihe (z. B. defectus lenitatis). Wenn wir aber davon auskommen, dass es im Menschen im Grunde genommen nur eine Tugend gibt, und das ist die Liebe, und dass sich die Liebe, wenn sie wahr ist, entsprechend der spezifischen Lage erweist, sie hüllt sich sozusagen ins Kleid der einzelnen Tugenden. Falls wir diesen Grundsatz annehmen, werden wir auch den Gehorsam für die Äußerung der Liebe halten, weil die Liebe dienen will, die Liebe sucht nicht ihren Vorteil. Und wenn wir die Sache verkehren, so ist der Ungehorsam das Zeichen der falschen Liebe. 2. Das Verhältnis zwischen Gehorsam und Freiheit Einen eigene Kapitel verlangt das Klären des Verhältnisses von Gehorsam und Freiheit, weil in unseren Tagen in bedeutendem Masse auch geistige Kräfte wirken, die behaupten, die Freiheit und der Gehorsam wären sich ausschließende Begriffe. Diese Kräfte sehen meistens ähnlicher Weise einen Widerspruch in der Beziehung zwischen der Autorität und des Untergebenen, sie können sich sogar Gott so vorstellen, dass er die unveräußerlich Sten Wünsche und Rechte des Menschen zerstört. Nach der katholischen Auffassung schließen sich diese Begriffe bei weitem nicht aus,41 sie behauptet sogar, dass es nur dort Freiheit gibt, wo die Menschen die Tugend des Gehorsams auf heldenhafte Weise ausüben. Wo sich das heilsame Kraftfeld der Autorität durchsetzt, wo die Ehre des einzigen wahren Gottes, das heißt das Einhalten seiner Gesetze das Verlangen des Menschen (sowohl des Vorgesetzten als auch des Untergebenen) ausfüllt, nur dort nimmt der Mensch seine eigene Würde wirklich in Besitz und berücksichtigt die menschlichen Rechte und Pflichten. 40 Von den Gaben des Heiligen Geistes zeigt das mit dem Geist der Frömmigkeit (pietas) Verwandtschaft. Die zu dem Geist der Frömmigkeit gehörenden Tugenden sind die folgenden: Achtung der Autorität, Dankbarkeit, Wahrheitsliebe, Freundlichkeit, Freigebigkeit, Billigkeit und Mut. Die damit verbundenen Tugenden sind: Grossmütigkeit, Geduld und Standhaftigkeit. Vgl. Royo Marin, A., Teológia dellaperfezione cristiana, Cinisello Balsamo 1997. 676-710. 41 Vgl. Gambari, E., Vita religiosa secondo il Concilio e il nuovo Diritto Canonico, Roma 1985. 323.