Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)
IUS CANONICUM - Stephan Haering OSB, Das Verfahren zur Entlassung aus einem Ordensverband
DAS VERFAHREN ZUR ENTLASSUNG VON PROFESS MITGLIEDERN... 213 Durchführung der Verwarnungen ausschließt (c. 500 § 2, 2° CCEO). Der Verzicht auf die Verwarnungen kommt wohl vor allem bei jenen Tatbeständen in Betracht, für die das lateinische Recht die obligatorische Entlassung vorsieht (vorsätzliche Tötung, Abtreibung, Körperverletzung, Verstümmelung, Entführung, Freiheitsberaubung und bestimmte Sexualdelikte)14, aber auch bei anderem Fehlverhalten von derartiger Schwere, dass ein Verbleiben des Mitglieds im Ordensstand völlig ausgeschlossen werden muss. Das betroffene Mitglied besitzt die Möglichkeit, gegen ein approbiertes Entlassungsdekret mittels eines hierarchischen Rekurses vorzugehen oder eine gerichtliche Behandlung des Falles zu fordern. Letzteres ist jedoch nicht möglich, wenn diese Approbation durch den Apostolischen Stuhl erfolgt ist, also durch die Kongregation für die Orientalischen Kirchen (c. 501 § 2 CCEO; vgl. Art. 58 § 1 PastBon). Im Unterschied zum lateinischen Recht weist der CCEO ausdrücklich auch auf die grundsätzliche Möglichkeit der gerichtlichen Klage hin, um rechtlichen Schutz einzufordern. Diese Möglichkeit ist auch im lateinischen Recht nicht ausgeschlossen (vgl. cc. 221 § 1, 1400 § 1, 1° CIC), doch kann durch die Tatsache, dass die Klagemöglichkeit nicht erwähnt wird, leicht der Eindruck entstehen, die Verwaltungsbeschwerde sei die einzige zulässige Option des betroffenen Ordensmitglieds, sich gegen die Entlassung zur Wehr zu setzen. Doch auch gegen eine vom Apostolischen Stuhl approbierte Entlassung kann das Mitglied Vorgehen, nämlich zunächst durch Antrag auf Rücknahme der Approbation bei der Kongregation für die Orientalischen Kirchen und gegebenenfalls in einem weiteren Schritt durch verwaltungsgerichtliche Klage beim Höchsten Gericht der Apostolischen Signatur. Die Entscheidung über einen Rekurs gegen das Entlassungsdekret kann im orientalischen Rechtskreis auch beim Patriarchen liegen; dies setzt voraus, dass das betroffene Ordensmitglied seinen Wohnsitz im Gebiet der Patriarchatskirche hat (c. 501 § 3 CCEO). Im Unterschied zum lateinischen Rechtsbereich, wo der hierarchische Rekurs immer an den Apostolischen Stuhl zu richten ist, weil es sich entweder um ein Institut päpstlichen Rechts handelt oder der Diözesan- bischof bereits in das Verfahren involviert war, kommt gemäß dem CCEO auch der Patriarch als Rekursinstanz in Betracht. Natürlich kann gegebenenfalls auch gegen die Entscheidung des Patriarchen rechtlich vorgegangen werden. Für die Entlassung von Ordensmitgliedern, die nur durch zeitliche Gelübde gebunden sind, gibt es im orientalischen Recht, anders als im lateinischen, ein vereinfachtes Verfahren. Die Zuständigkeit liegt beim Oberen des eigenberechtigten Klosters beziehungsweise regelmäßig beim Generaloberen, jeweils mit Zustimmung ihres Rates; statutarisches Recht kann für die Entlassung aus Orden oder Kongregationen auch vorsehen, dass eine verbandsexteme Autorität 14 Siehe oben Abschnitt III/1. Tatbestände für die Entlassung von Mitgliedern mit ewiger Profess.