Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

IUS CANONICUM - Stephan Haering OSB, Das Verfahren zur Entlassung aus einem Ordensverband

204 STEPHAN HAERING, OSB Ein gewisses Element des rechtlichen Schutzes für das Mitglied ist auch da­rin zu sehen, dass der Obere bei der Feststellung der Entlassung nicht ganz allein vorgehen darf, sondern seinen Rat einbeziehen muss. Durch das „Mehraugen­prinzip", welches damit in das Procedere eingeführt ist, wird eher gewährleis­tet, dass der Eintritt der Entlassung eines schwierigen und dem höheren Oberen möglicherweise missliebigen Mitglieds nicht leichtfertig festgestellt wird. III. Entlassung durch ein Verfahren 1. Tatbestände für die Entlassung von Mitgliedern mit ewiger Profess Bei allen weiteren Tatbeständen, die eine Entlassung notwendig machen oder rechtfertigen, muss ein förmliches Entlassungsverfahren durchgeführt werden. Dabei besteht zwischen dem Recht des CIC und des CCEO insofern ein bemer­kenswerter Unterschied, als das lateinische Recht die Entlassung bei bestimmten Straftaten ausdrücklich vorschreibt, während das orientalische Recht keine konk­reten Tatbestände für die Durchführung eines EntlassungsVerfahrens benennt. Der lateinische Gesetzgeber unterscheidet Tatbestände, bei denen obligato­risch ein Entlassungsverfahren durchzuführen ist, und Tatbestände, bei denen die Durchführung eines solchen Verfahrens im Ermessen der zuständigen Obe­ren liegt. Zwingend geboten ist ein Entlassungsverfahren gemäß c. 695 § 1 CIC bei je­nen Straftaten, die durch cc. 1397, 1398 und 1395 CIC erfasst werden, also bei den Straftaten gegen Leben und Freiheit eines Menschen (vorsätzliche Tötung, Abtreibung, Körperverletzung, Verstümmelung, Entfühmng und Freiheitsbera­ubung) und bei bestimmten Sexualdelikten.8 Bezüglich letzterer ist ein Entlas­sungsverfahren auf jeden Fall vorgeschrieben bei einem eheähnlichen Verhältnis eines Mitglieds, während bei den Straftaten gemäß c. 1395 § 2 CIC dem Oberen noch ein gewisses Ermessen eingeräumt ist, ob die Entlassung eingeleitet wird 8 CIC Can. 1395 - § 1. Clericus concubinarius, praeter casum de quo in can. 1394, et clericus in alio peccato externo contra sextum Decalogi praeceptum cum scandalo permanens, suspensione puniantur, cui, persistente post monitionem delicto, aliae poenae gradatim addi possunt usque ad dimissionem e statu clericali. § 2. Clericus qui aliter contra sextum Decalogi praeceptum de­liquerit, si quidem delictum vi vel minis vel publice vel cum minore infra aetatem sedecim an­norum patratum sit, iustis poenis puniatur, non exclusa, si casus ferat, dimissione e statu clerica­li. - Can. 1397 - Qui homicidium patrat, vel hominem vi aut fraude rapit vel detinet vel mutilat vel graviter vulnerat, privationibus et prohibitionibus, de quibus in can. 1336, pro delicti gravi­tate puniatur; homicidium autem in personas de quibus in can. 1370, poenis ibi statutis punitur. - Can. 1398 - Qui abortum procurat, effectu secuto, in excommunicationem latae sententiae in­currit. - Zu diesen Straftatbeständen vgl. Rees, Die Strafgewalt der Kirche (wie Anm. 6), 475- 477, 479-484; Ders., Die einzelnen Straftaten, in Handbuch des katholischen Kirchenrechts (wie Anm. 2), 1138-1149, hier: 1147-1149.

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