Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)
IUS CANONICUM - Stephan Haering OSB, Das Verfahren zur Entlassung aus einem Ordensverband
DAS VERFAHREN ZUR ENTLASSUNG VON PROFESSMITGLIEDERN... 201 lischen Lebens erfolgt ganz nach Maßgabe der Statuten beziehungsweise des partikularen Rechts der einzelnen Kirche (cc. 568 § 2, 572 CCEO).4 Die kodikarischen Normen des CIC und des CCEO können durch eigenrechtliche Bestimmungen ergänzt und präzisiert sein. Darauf aber auch nur exemplarisch einzugehen ist hier nicht der Ort. Dagegen ist ein Hinweis auf einen wichtigen Unterschied zwischen lateinischem und orientalischem Recht angezeigt, der die rechtlichen Folgen der Entlassung betrifft. Während nach lateinischem Recht mit der Entlassung wie auch bei anderen Formen der rechtlichen Trennung eines Mitglieds vom Ordensverband die Gelübdebindung erlischt (c. 701 CIC), verbindet der CCEO diese Rechtsfolge nicht mit einer Entlassung von Rechts (c. 502 CCEO). Dahinter steht die Überlegung, dass niemand aus einer Verfehlung einen „Vorteil“ ziehen solle.5 Die Rechtsordnung unterscheidet zwischen einer Entlassung von Rechts wegen und der Entlassung durch ein förmliches Entlassungsverfahren. Den beiden Verfahrensformen sind jeweils bestimmte Tatbestände zugeordnet, die zur Entlassung aus dem Verband führen. II. Entlassung von Rechts wegen 1. Tatbestände Von Rechts wegen erfolgt eine Entlassung gemäß c. 694 §1,1° CIC beziehungsweise c. 497 §1,1° CCEO dann, wenn ein Mitglied notorisch vom katholischen Glauben abgefallen ist. Darunter ist zu verstehen jede nach außen hervortretende Haltung der Apostasie, der Häresie oder des Schismas, die mit der von selbst eintretenden Exkommunikation sanktioniert werden (c. 1364 § 1 CIC).6 Die von Rechts wegen eintretende Entlassung aus dem Verband ist keine zur Exkommunikation hinzukommende zusätzliche Strafe, sondern sie ergibt sich 4 Siehe dazu aus der Standardliteratur des orientalischen Ordensrechts durchgängig: Abbass, J., Monks and other religious as well as members of other Institutes of Consecrated Life, in Ne- dungatt, G. (Hrsg.), A guide to the Eastern Code. A Commentary on the Code of Canons of the Eastern Churches (Kanonika 10), Roma 2002. 345-392, hier: 372-375, 389. Salachas, D., La vita consacrata nel Codice dei Canoni delle Chiese Orientali (CCEO), Bologna 2006. 181-189, 256-261. Abbass, J., The Consecrated Life. A Comparative Commentary of the Eastern and Latin Codes, Ottawa 2008. 242-289, 410-419. 5 Vgl. Abbass, J., Dismissal from Religious Institutes of the Latin and Eastern Catholic Churches, in Commentarium pro Religiosis et Missionariis 78 (1997) 361-392, hier: 388-390. Abbass, J., The Consecrated Life (wie Anm. 4), 283-287. 6 Da das orientalische Recht das Institut der Tatstrafe nicht kennt, ist dort bei diesen Straftaten die Verhängung der Strafe der großen Exkommunikation vorgesehen (cc. 1436 § 1, 1437 CCEO). Vgl. Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche. Das geltende kirchliche Strafrecht - dargestellt auf der Grundlage seiner Entwicklungsgeschichte (Kanonistische Studien und Texte 41), Berlin 1993. 426 f.