Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Leo Scheffczyk und die Tübinger Schule

LEO SCHEFFCZYK UND DIE TÜBINGER SCHULE 99 besondere Offenbarung besteht (...) darin, dass Gott sein Wort und mit seinem Wort seinen Namen in die Menschheit hineingesprochen hat.“24 In diesem Zu­sammenhang spricht Möhler auch von dem freien Willen des Menschen, der die Offenbarung und damit die Gnade von sich weisen kann.25 Im weiteren führt Möhler die Distinktion zwischen der geschichtlichen Offenbarung und der Uroffenbarung, d. h. zwischen Heilsglauben und Naturglauben ein.26 Diese Gedankenentwicklung erinnert an die Philosophie der Offenbarung von Schel- ling, insofern eine Rekonstruktion derselben möglich ist. 2. Geschichte Von der obengeschilderten Auffassung Möhlers von der Offenbarung, welche einer Evolution nicht immanent sein kann, führt der Weg nach seiner Auffas­sung und Auslegung der Geschichte, in welche die Offenbarung Gottes durch sein Wort - durch ein historisches Ereignis (in Jesus Christus als historischer Person) „Einbricht“. Dabei halte ich mich wiederum an Geiselmanns Mono­graphie. Möhler fand im Laufe der Entwicklung seiner Reflexionen verschiedene Auffassungen von der Geschichte vor: die des Klassizismus, der Romantik, des Idealismus, der Romantik, sowie der lutherischen Orthodoxie. Die klassizisti­sche Auffassung besagt etwa, man müsste den Zustand der Kirche auf ihre ers­ten drei Jahrhunderten messen (So einer Auffassung hat Sailer zeitlebens ge­huldigt).27 - Auch „wenn unseres christliches Sein an die Tradition gebunden wird, so soll es damit dem Ewigen und Göttlichen nahekommen, das am Be­ginn des christlichen Geschehens als neuer Lebensquell in der Herabkunft des Heiligen Geistes aufbrach. Diese Bindung an die Überlieferung soll unsere Teil­nahme am Heiligen ermöglichen. Und darin ist Möhler der Romantik zutiefst verpflichtet.“28 (Die Ekklesiologie Möhlers in ihrer vollen Entwicklung beweist aber, wie er diese Verbindung im Unterschied zur Romantik versteht). Während die lutherische Orthodoxie von der totalen Verderbnis der menschlichen Natur her die Geschichte betrachtet, hat der deutsche Idealismus eine Art Fortschritts­glaubens entwickelt, vor allem in dem abgeschlossenen System Hegels.29 30 Dabei wurde es Möhler immer mehr klar, dass man von der Geschichte, allem voran von dem Sinn der Geschichte nur von der Offenbarung her, von der Heils­geschichte - von der Kirche her zu sprechen einen Sinn hat. 24 Ebd. 19. 25 Ebd. 244. 26 Ebd. 250. 27 Ebd. 38. 28 Ebd. 39. 29 Ebd. 337. 30 Scheffczyk, L. (Hrsg.), Theologie in Aufbruch und Widerstreit, 30.

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