Folia Canonica 11. (2008)
STUDIES - Géza Kuminetz: Das Wesen und die Bestimmung der Autorität und der Machtz katholisch betrachtet
DAS WESEN UND DIE BESTIMMUNG DER AUTORITÄT 165 3. Das Wesen der Autorität und der Macht Die Autorität und die Macht gehören notwendigerweise zum menschlichen Leben, aber wenn sie sich entarten, können die grössten Krisen der ganzen Welt nicht nur der Person sondern auch der Gesellschaft und den Menschen drohen. Wir können auch so verfassen, dass es eine ideale Autorität und Macht gibt, nach denen jede menschliche Autorität und Macht gravitieren soll. Sie können ab und zu auch als Synonyme verwendet werden, es gibt jedoch bezüglich ihres Inhaltes und Wirkens wesentliche Unterschiede. Unter der Autorität verstehen wir eher eine religiös-moralische Kraft, unter der Macht jedoch darüber hinaus auch eine rechtliche Ermächtigung. Wir irren uns aber vielleicht auch nicht, wenn wir behaupten, dass die Macht letzten Endes eine institutionierte Autorität und deren Ausüben ist. Tamás Molnár unterscheidet drei Hauptzüge der Autorität:141. Der Mensch ist ein Wesen, dem die das Verhalten determinierende Anwesenheit des Triebes fehlt. Deshalb muss die Gesellschaft das Individuum sozusagen zwingen (tue oder nicht tue das!), wie es als ein normales gesellschaftliches Wesen, dass heisst nach seiner Natur leben. 2. Die Autorität strukturiert die Ungleichheit zwischen den Menschen, demzufolge streckt sie die versicherten Vorteile auf alle Mitglieder der Gruppe aus. 3. Die Autorität beinhaltet auf irgendeine Weise das gemeinsame Gute, das auf der durch den gesellschaftlichen Konsens verstärkten moralischen Einsicht basiert. Die Autorität ist nicht nur eine rechtliche sondern eher eine moralische, rationale und habituelle (das heisst fortwährend durchsetzende und verhaltenformende) Kraft, deren Wurzeln bis in die Tiefe der menschlichen Seele, und zwar in die mit uns geborene Fähigkeit und Sehnsucht der Ehre der Autorität zurückreichen.15 Die Autorität und die Macht sind also persönliche Kraftquellen, die das Individuum, die kleineren und grösseren gesellschaftlichen Gestaltungen und auch die Gesellschaft selbst nach ihren spezifischen Zielen bewegt,16 deren Kraftfeld verlassen bedeutet praktisch, dass die Person nicht mehr imstande ist, den menschlichen Menschen (den humanen Menschen), das heisst die menschliche Würde wahrhaftig in Besitz zu nehmen und ein dementsprechendes Leben zu führen. Die Alten verfassten das so, dass man herrenlos bleibt. “ Vgl. MolnAr, T., Az autoritás és ellenségei [Die Autorität und ihre Gegner], Budapest 2002, 60. 15 Ein sprechender Beweis dafür ist es, dass die Menschen an die offiziell übermittelten Botschaften der Autorität und der Macht grundlegend glauben. Wenn die Lehrer in einer Schule einstimmig unterrichten, dass der Abort eine Sünde und ein Verbrechen ist, halten sich die dort Lernenden auch als Erwachsene in grossen Zügen an diese Lehre. Falls jedoch die Lehrer in einer anderen Schule mit einer gleichmässigen Einstimmigkeit lehren, dass die Abtreibung erlaubt, sogar in gegebenem Fall gerecht ist, werden sich die dortigen Schüler später als Erwachsene demgemäss verhalten, weil in beiden Fällen dasselbe geistige Mechanismus gewirkt hatte, nämlich die Anerkennung der Autorität des Lehrers. 16 Vgl. Ottaviani, A., Institutiones iuris publici ecclesiastici I. Ius publicum internum, Romae 1947, 65.