Folia Canonica 11. (2008)
STUDIES - Géza Kuminetz: Das Wesen und die Bestimmung der Autorität und der Machtz katholisch betrachtet
162 GÉZA KUMINETZ des Gewissens, die der Mensch mit freiem Willen unter der Last der Sünde selbstverständlich überprüfen kann. In der genauen Bestimmung der Macht und der Autorität spiegelt sich unsere Auffassung über den Menschen und Gott. Was den Menschen betrifft, gibt hier das Verhältnis zwischen der Person und Gemeinschaft sowie die Bestimmung der Destination des Menschen den Schlüssel zu unserer Ansicht von der Autorität und der Macht. Nicht weniger wichtig ist jedoch auch die Beurteilung der Beziehung zwischen dem Menschen und Gott. Wenn Gott nicht existiert, kann er weder Autorität noch Macht über uns haben. Wenn er aber existiert, messen wir ihm je eine andere Autorität und Macht bei, abhängig davon, wie wir uns die göttliche Natur vorstellen. Wenn die Gottheit bloss existiert, die Welt aber nicht regiert, ist ihr Wirken aus dem menschlichen Leben praktisch auszuschalten. Wenn wir Gott als Würfelspieler modellisieren, steht er als Despot vor uns, zu dem man kein Vertrauen haben kann. Falls jedoch Er die in jedem Sinne genommene Vollkommenheit, das heisst der Heilige ist, können wir uns dann auf ihn verlassen, und wenn wir uns vor Ihm sogar auf eine entsprechende Weise Vorbeugen, wird Er derjenige sein, der unser Leben am meisten bereichern wird. 2. Ursprung der Autorität und der Macht Der Mensch ist kein einsames Wesen, sondern er lebt in einer Gemeinschaft, wo Ordnung und Sicherheit herrscht. Das ist das Schutznetz, durch das er sich entwickeln kann, und erwachsen wird er würdevoll sein, das heisst der Verwirklicher der religiös-moralischen Idee. All das setzt die koordinierte Wirkung der unterschiedlichen Autoritäten voraus. Wir können sogar auch so verfassen, dass durch die Verwirklichung der menschlichen Würde die Person selbst zur Quelle und zum Kraftzentrum einer spezifischen Macht und Autorität wird. Im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung trennten sich zwei Hauptquellen der Autorität und der Macht voneinander, und zwar die religiöse und die staatliche, ihren Wurzel müssen wir jedoch in der Familie und in der Gestalt des Autoritätsträgers der Familie sehen: „einst war der Vertreter der priesterlichen Macht mit dem Subjekt des Familienoberhauptes oder der verschiedenen fürsterlichen Mächte gleich. Das unverdorbene Gewissen der Völker betrachtete die Religion nicht als eine Privatsache, sondern alle Mitglieder der Familie, des Stammes und später der Nation mussten sich deren Praxis an- schliessen... Sie waren Fürste und Priester, Herrführer, geistliche Leiter und Vertreter ihres Volkes vor Gott in einer Person. Das war das laie (aus menschlichem Auftrag wirkende) Priestertum, das mindestens äusserlich (aus dem Gesichtspunkt der Gemeinschaft der Menschen), aber unter bestimmten Umständen (infolge einer besonderen Anordnung oder des Wohlwollens von Gott) auch innerlich einen heiligmachenden (hieratischen) Charakter hatte”.9 9 Vgl. Horváth, S., Krisztus királysága [Das Königreich von Christus], Budapest 1926, 74.