Folia Canonica 6. (2003)

STUDIES - Peter Landau: Seelsorge in den Kanonessammlungen von der Zeit der gregorianischen Reform bis zu Gratian

SEELSORGE IN DEN KANONESSAMMLUNGEN 67 cretum Gregorii wird behauptet, dass diese Anordnung einem Dekret der 318 Väter auf dem Konzil vonNicäa entspreche; sie wird also auf das erste ökumeni­sche Konzil zurückgeführt.60 Wir haben es bei beiden Texten mit mönchsfreundlichen Fälschungen zu tun. Über Autor, Ort und Zeit der Fälschungen hat sich bisher nichts Genaues ausma­chen lassen, nachdem sich die Ansicht des Kirchenhistorikers Heinrich Böhmer, dass es sich um Fälschungen des Erzbischofs Lanfrank von Canterbury handle, als unrichtig erwies.61 Böhmers These konnte durch die Forschungen des Bene­diktiners Hieronymus Frank widerlegt werden.62 In bezug auf die Zeit der Fäl­schungen stellte Frank fest, dass das Decretum Bonifatii eindeutig bereits in der Schrift ,Apologeticus monachorum contra canonicos4 des Petrus Damiani 1058 zitiert wird.63 Frank konnte ferner Argumente dafür beibringen, dass Petrus Da­miani 1058 auch das Decretum Gregorii bereits kannte, so dass beide Fälschun­gen kurz nach 1050 schon in Italien zirkulierten.64 Man kann aufgrund des Stils beider Fälschungen und der weitgehend gemeinsamen Überlieferung anneh­men, dass sie aus derselben Fälscherwerkstatt stammen und etwa um 1050 for­muliert wurden.65 Die handschriftliche Überlieferung der beiden Fälschungen, die von John Gilchrist 1986 umfassend untersucht wurde, weist überwiegend nach Nordfrankreich und Niederlothringen (Rhein-Maas-Region).66 Nach Gil­christ kann man beide Fälschungen zusammen nur in einer einzigen Handschrift 60 Pseudo-Gregorius, ed. Frank ibidem: „Unde censemus eos qui apostolorum figuram te­nent, praedicae, baptizare, communionem dare, penitentes suscipere, peccata solvere, iuxta constitutum trecentorum decem et octo patrum” - ‘in Niceno concilio’ add. m.s. Cambridge, Trinity College 405. 61 Böhmer nahm an, dass die beiden Fälschungen im Jahre 1072 in Canterbury entstanden seien und dass Erzbischof Lanfrank ‘entweder selber der Fälscher oder doch der geistige Ur­heber der Fälschung gewesen sei’ - cf. Böhmer, Die Fälschungen (Fn. 53), 61-82, hier 79. 62 Cf. die grundlegende Arbeit von FRANK, Zwei Fälschungen (Fn. 58), 19-47. 63 Frank, Zwei Fälschungen (Fn. 58), 38. Zur Verwendung des Decretum Bonifatii bei Pe­trus Damiani cf. auch J.J. RYAN, Saint Peter Damian and his canonical sources, Toronto 1956,55-57. 64 Frank, Zwei Fälschungen (Fn. 58), 40-43. 65 Die Übereinstimmung des Stils und der Überlieferung wurde zuerst von Böhmer, Die Fälschungen (Fn. 53), 71-73, hervorgehoben. Frank, Zwei Fälschungen (Fn. 58), 47 stellt zusammenfassend fest, dass beide Fälschungen in Italien schon um 1050 bekannt waren. 66 Cf. J. Gilchrist, The Influence of the Monastic Forgeries attributed to Pope Gregory I (JE+1951) and Boniface IV (JE+1996), in Fälschungen im Mittelalter. Teil II: Gefälschte Rechtstexte. Der bestrafte Fälscher, MHG Sehr. Bd. 33,11 Hannover 1988,263-287, hier be­sonders 282-284. Die Arbeit von Ch. Dereine, Le problème de la cura animarum chez Gra­den, in Studia Gratiana II (1954) 307-318 mit den dortigen Handschriftenangaben ist heute durch Gilchrists umfassende Untersuchung weitgehend überholt.

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