Folia Canonica 6. (2003)
STUDIES - Peter Landau: Seelsorge in den Kanonessammlungen von der Zeit der gregorianischen Reform bis zu Gratian
SEELSORGE IN DEN KANONESSAMMLUNGEN 71 tius-Text endgültig dadurch legitimiert, dass ihn Gratian in sein Dekret einfügt und der Tendenz der Fälschung vollständig zustimmt, indem er in dem auf dieses Kapitel unmittelbar folgenden Dictum ausführt: „His omnibus auctoritatibus perspicue monstratur, monachos posse penitentiam dare, baptizare et cetera sacerdotum offitia licite administrare.“89 Auf welche unmittelbare Quelle Gratian bei der Rezeption von, Sunt nonnulli4 zurückgriff, lässt sich allerdings zur Zeit nicht beantworten. Drei-Bücher- Sammlung und Polycarp kommen nicht in Frage, da der Text hier jeweils kürzer ist. Die Tripartita bietet andere Textvarianten. Nach Umfang und Text scheint Gratian sich am ehesten mit der Sammlung von Assisi in acht Teilen und mit einer Überlieferung als Anhang zum Dekret Burchards in der Handschrift Pistoj a 125 in Übereinstimmung zu befinden. Gratian kann hier nicht auf das sonst von ihm üblicherweise benutzte Quellencorpus zurückgegriffen haben.90 Der Pseudo-Gregor-Text (JE+1951) fand weit weniger Verbreitung in den Kanonessammlungen. Er erscheint als Zusatz neben Pseudo-Bonifatius in zwei Handschriften der Collectio Lanfranci,91 ebenfalls als Zusatz in italienischen, französischen und englischen Burchardhandschriften92 und auch als Zusatz in Handschriften der 74-Titel-Sammlung,93 der Vier-Bücher-Sammlung,94 sowie in Handschriften von Ivos Dekret95 und Ivos Panormie.96 Nirgendwo wird dieser angebliche Gregortext in die Sammlungen selbst systematisch eingereiht. Gratian bringt unmittelbar vor Pseudo-Bonifatius auch den Pseudo-Gregor-Text, allerdings nur den letzten Satz mit erheblichen Umformungen.97 Bei Gratian steht SzUROMI, Some Observations concerning whether or not BAVVat. lat. 1361 is a text from the Collection of Anselm of Lucca, in Ius Ecclesiae 13 (2001), 693—715. Man findet ‘Sunt nonnulli’ ferner in einem aus Norditalien stammenden Dossier über die Rechte der Mönche aus der Zeit zwischen 1120 und 1140 - cf. F.S. PAXTON, A Canonical dossier on monastic rights in Leipzig Universitätsbibliothek216, inBMCL,N.S. 15 (1985) 1-17, hier 10. 89Diet. p. C.16, q.l, C.25. 90 Cf. das Stemma der handschriftlichen Überlieferung von JE+1996 bei Gilchrist, The Influence (Fn. 66), 285 für die Übereinstimmung mit m.s. Assisi BC 227 - dort 8.140. Nach den Forschungen von Fowler-Magerl hat die Sammlung von Assisi ihrerseits JE+1996 aus einem Appendix zum Dekret des Burchard von Worms in m.s Pistoja 125 bezogen - cf. Fow- LER-Magerl, The Restoration (Fn. 84), 199. 91 Cf. Gilchrist, The Influence (Fn. 66), 268: Cambridge, Peterhouse College 74 (Sigle C5) und Cambridge, Trinity College 405 (B 16.44, Sigle C8) - in C8 zusammen mit JE+1996. 92 Cf. GILCHRIST, The Influence (Fn. 66), 269ss: Durham, Dean and Chapter Library B.IV. 17 (Sigle D2); Paris, Bibi. nat. lat. 3860 (Sigle P2); Montecassino 45 (Sigle M2). Der italienische Ursprung von Montecassino 45 ist allerdings nach Gilchrist zweifelhaft - cfr. oben n. 79. 93 Gilchrist, The Influence {Fn. 66), 272s.: m.s. Namur Musée Archéologique 5 (Sigle NI). 94 Gilchrist, The Influence (Fn. 66), 273s.: m.s. Paris Bibi. nat. lat. 4281 A (Sigle P3). 95 Gilchrist, The Influence (Fn. 66), 277: m.s. Vat. lat. 1357 (Sigle V6). 96 Gilchrist, The Influence (Fn. 66), 276: m.s. Trier, Stadtbibliothek 910/1114 (Sigle T2). 97C.16, q.l, C.24.