Folia Canonica 6. (2003)
STUDIES - Rita Ferenczy - Szabolcs Anzelm Szuromi: Die kirchliche Ehe als staatlich anerkannter Ehebund? - Kritische Bemerkungen aus rechtgeschichtlicher, zivil- und kirchenrechtlicher Sicht
DIE KIRCHLICHE EHE ALS STAATLICH ANERKANNTER EHEBUND? 107 muss man die Verordnungen der § 60 über die Gewissens- und Religionsfreiheit beachten, wo es nach der Deklaration der Freiheit der privaten und gemeinschaftlichen Religionsausübung im zweiten Absatz heißt: die Kirche wirkt getrennt vom Staat, (das bezieht sich nicht nur auf eine Kirche, sondern auf alle, vom Staat als Rechtspersonen anerkannten religiösen Gemeinschaften.23 Es kann Vorkommen,daß es aufgrund des Charakters der beiden Institutionen und der gesellschaftlichen Anforderungen gemeinsame Wirkungsgebiete gibt, grundsätzlich aber sind sie nicht verbunden. Ein Teil der Kirchen - besonders die sogenannten “geschichtlichen“ Kirchen - hat eigene, gut ausgearbeitetes Rechtssysteme (die meistens auch über die Ehegesetzgebung verfügen), das sind aber von der staatlichen Rechtsordnung getrennte Systeme. Beziehung zwischen den zwei Systemen gibt es nur in den Fällen, wo eines der Systeme eine Regelung aus dem anderen System übernimmt, also diese mit Verweisung oder Hineinhebung zu einem Teil des eigenen Systems machen und damit den rechtlichen Effekt dieser Regelung dem eigenen System attribuiert.24 So ein Fall ist die Frage der Rechtsperson, weil die Kirche nach dem IV. Gesetz vom 1990 Rechtsperson ist25 und das staatliche Recht in diesem Bezug die rechtliche Regelungen der Kirche rezipiert. 6. Wie schon erwähnt, haben die geschichtlichen Kirchen eigenständige, vom Staat unabhängige Rechtssysteme, von denen die meisten auch die Ehe regeln. Auch nach den Änderungen im Zivilrecht ist die katholische Kirche der Überzeugung, daß sie in der Frage der Ehe, als Sakrament, allein kompetent ist, Gesetze zu schaffen und darüber zu richten, -was sich natürlich nicht auf die zivilrechtlichen Konsequenzen der Ehe bezieht. Das Kirchenrecht behandelt die Familie nicht aus soziologischem und rechtlichem Standpunkt, auch nicht über die rechtliche Beziehung der Eheleute untereinander, sondern über die Ehe als Sakrament, in das sakramentale Recht eingegliedert26. Das bedeutet nicht, daß das Kirchenrecht die Familie als unwichtige Erscheinung betrachtet, sondern daß dieses Sakrament seine fundamentale Bedeutung innerhalb der Weihefunktion der Kirche erhält.27 23IV. Gesetz vom Jahre 1990 über die Gewissens- und Religionsfreiheit, und über die Kirchen, 8. §; 13. §. 24 B. SCHANDA, Világi jog az egyházjogban - egyházi jog a világi jogban?, in Kánonjog 1 (1999) 79-88. 25 Vgl. R. Ferenczy, Kérdések az egyházak és szervezeteik jogi személyiségének köréből, in Magyar Jog 46 (1999) 518-529. 26Vgl. Joannes Paulus IL, adhor. ap. Familiaris consortio, 22. XI. 1981, in AAS 74 (1982) 81-191, n. 13. 27 J. Prader, Die Ehe in der kirchlichen Rechtsordnung in J. LlSTL - H. SCHMITZ (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, Regensburg 1999, 893-895.