Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Spyros N. Troianos: Die Entwicklung und der aktuelle Stand des kanonischen Rechts und der Kanonistik in der griechischen Orthodoxie

KANONISCHES RECHT UND KANONISTIK IN DER GRIECHISCHEN ORTHODOXIE 23 Pfarreien, das kirchliche Strafrecht und die Verwaltung des Kirchenvermögens. Der zweite Halbband ist leider nie erschienen. Rallis’ Buch stellt den ersten - wenn auch unvollendeten - Versuch eines Kirchenrechtlers der Athener Univer­sität dar, ein Lehrbuch zusammenzustellen, welches das gesamte Kirchenrecht umfaßt. Das heißt aber längst nicht, daß es bis zu diesem Zeitpunkt keine systemati­schen Darstellungen des Orthodoxen Kirchenrechts gab. Die Kanonistik wurde näm 1 ich nicht nur innerhalb der Athener Universität gepflegt. So stand seit 1896 ein „Grundriß des Kirchenrechts“, verfaßt vom Archimandriten Apostolos (Jhri- stodoulou Professor an der Theologischen Hochschule von Chalke (in Konstan­tinopel), den Interessenten zur Verfügung. Zwei Jahre später (1898) erschien in Athen „Das Kirchenrecht der Orthodoxen Ostkirche“ vom Archimandriten Me- letios Sakellaropoulos. Darüber hinaus wurde „Das Kirchenrecht der morgen­ländischen Kirche“ des Bischofs Nikodemus Milasch (2. Aufl. 1905) vom Ar­chimandriten Meletios Apostolopoulos ins Griechische übersetzt (Athen 1906). Es handelt sich bekanntlich um ein klassisches Werk, das immer noch sehr ver­breitet ist. Um die Liste der allgemeinen Hilfsmittel zu vervollständigen, muß ich „Das System des Kirchenrechts“ noch erwähnen, das Evangelos Philippotis in zwei Bänden (Athen 1912 und 1915) zusammenstellte. Konstantin Rallis hat in seinem Buch die alte Ansicht seiner Vorgänger an der Juristischen Fakultät, die Lehre von den Beziehungen zwischen Staat und Kir­che sei nur eine Sache des Öffentlichen Rechts, aufgegeben. Demnach analy­sierte er bei der Erläuterung des in Griechenland geltenden Systems die „Über­ordnung des Staates auf gesetzlicher Grundlage“ - eine Bezeichnung, die sich in der kirchenrechtlichen Theorie durchsetzte, um die merkwürdige „Umarmung“ von Staat und Kirche möglichst treu wiederzugeben. Dem Beispiel von Rallis folgten auch seine Nachfolger, so daß diese Frage nunmehr immer in ihren Büchern berücksichtigt wurde. Nach Rallis’ Emeritie­rung wurde er durch den bereits erwähnten Demetrios Petrakakos besetzt. Die Wahl wurde aber nach Kriegsende im Rahmen einer Überprüfung der Gültigkeit der Verwaltungsakte dieser Periode rückgängig gemacht. In den folgenden Jahren übernahm der Professor für Zivilprozeßrecht Georg Rammos einen Lehrauftrag für den Unterricht des Kirchenrechts. Nach der er­neuten Ausschreibung des vakanten Lehrstuhls wurde schließlich 1950 Anasta- sios Christophilopoulos gewählt, der sich nach Abschluß des juristischen Studi­ums (Promotion 1935) in Athen dem Studium der Geschichte in München und Wien gewidmet hatte. Sein Interesse galt vor allem der antiken Rechtsgeschich­te, einschließlich der kirchlichen Rechtsgeschichte, einem Gebiet, das er durch wichtige Arbeiten förderte. Dennoch beeinflußte Christophilopoulos entschei­dend auch die Entwicklung des geltenden Kirchenrechts. Sein in den Jahren 1952 bis 1956 (2. Aufl. 1965) erschienenes Lehrbuch war eine abgeschlossene

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