Folia Canonica 5. (2002)
STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht
GEWALTENUNTERSCHEIDUNG STATT GEWALTENTRENNUNG 203 So heißt es in Art. 2 CD, daß der Papst kraft göttlicher Einsetzung die volle und universale Gewalt innehabe. Mit dieser Stellung wäre eine Gewaltenteilung auf dieser Ebene nicht vereinbar. Die Diözesanbischöfe leiten gemäß Art. 27 LG ihre Diözese als Stellvertreter Christi und haben das heilige Recht und die Pflicht vor dem Herrn, Gesetze zu erlassen, Urteile zu fällen und alles was zur Ordnung des Gottesdienstes und des Apostolats gehört zu regeln. Auch aus dieser Formulierung muß man folgern, daß die Gewalteneinheit auf göttlichem Recht beruht. Zur Erfüllung der ihnen übertragenen Seelsorgeaufgaben benötigen also sowohl der Papst als auch die Diözesanbischöfe die ungeteilte Macht.129 Dementsprechend hat Aymans den Unterschied zwischen der Gewalt in der Kirche und der Staatsgewalt wie folgt herausgearbeitet: „Die Gewalteneinheit ist in dem Wesen des apostolischen Amtes und der Eigenart der damit verbundenen geistlichen Vollmacht begründet. Die apostolische Gewalt gründet nicht in der Souveränität des Kirchenvolkes, sondern in der Wahl und der direkten Bevollmächtigung durch den Herrn selbst....Auch ihrem Inhalt nach ist die apostolische Gewalt nicht mit weltlichen Machtmitteln zu verwechseln und deshalb nicht mit den für diese entwickelten Methoden auszubalancieren .......Alle geistliche Vollmacht in der Teilkirche ist Teilhabe an dem einen apostolischen Dienst des Diözesanbischofs, nicht Gegengewalf’.l3° c) Fraglich ist, ob aus der Stellung der Patriarchen, Großerzbischöfe sowie sonstigen Leiter der orientalischen katholischen (unierten) Kirchen geschlossen werden kann, daß es auch in der katholischen Kirche Gewaltenteilung geben kann. Patriarchen (und wegen c. 152 CCEO auch Großerzbischöfe) haben in ihrer Kirche eigenen Rechts in erster Linie ausführende Gewalt (vgl. c. 82 § 1 2° CCEO); die gesetzgebende liegt dagegen überwiegend und die oberste richterliche Gewalt in der Patriarchal- (Großerzbischöflichen) Kirche uneingeschränkt bei der Bischofssynode. Gemäß c. 110 § 1 CCEO ist allein die Bischofssynode dafür zuständig, Gesetze für die gesamte Kirche zu erlassen (dies gilt daher nicht für partikulare Gesetze). Sie ist ferner das höchste Gericht (cc. 110 § 2, 1062 CCEO). Selbst die ausführende Gewalt steht dem Patriarchen nicht unbeschränkt zu.131 Der Grund hierfür ist, daß Patriarchen lediglich ein Ehrenvorrang gebührt (Nr. 9 Abs. 1 OE), sie aber keine vollberechtigten Hirten sind und des129 MK-Socha (Fn. 45), c. 135 Rn. 2. 130 W. Aymans, Der Leitungsdienst des Bischofs im Hinblick auf die Teilkirche, Archiv für katholisches Kirchenrecht 153 (1984), S. 35 ff. (44 f.); ähnlich H. SCHMITZ, Möglichkeit und Gestalt einer kirchlichen Gerichtsbarkeit über die Verwaltung, Archiv für katholisches Kirchenrecht 135 (1966) S. 18 ff. (55). 131 s. für Akte der ausführenden Gewalt, die allein der Bischofssynode obliegen: J. Faris, Eastern Catholic Churches, Constitution and Governance, New York 1992, S. 295.