Folia Canonica 5. (2002)
STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht
198 BERND EICHOLT fahrensstellung des Angeklagten im Verwaltungsverfahren im Rahmen der Frage, ob der Durchführung des gerichtlichen Verfahrenes ein gerechter Grund entgegensteht, zu berücksichtigen haben. Im Ergebnis dürfte dies dazu führen, daß auf ein gerichtliches Verfahren nur dann verzichtet werden kann, wenn die Straftat sicher feststeht109 und die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens als zu langwierig anzusehen wäre, weil das schnellere Verwaltungsverfahrens aus Gründen des Seelenheils geboten ist. bb) Eine Wahlmöglichkeit zwischen dem gerichtlichen Verfahren und dem Verwaltungsverfahren gibt es ferner im Rahmen der Feststellung der Nichtigkeit der Heiligen Weihen. Gemäß c. 1709 § 1 CIC ist die Klageschrift gegen die Gültigkeit einer Heiligen Weihe bei der zuständigen Kongregation einzureichen. Hierbei handelt es sich um die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakra- mentenordnung (Art. 68 PB). Diese entscheidet darüber, ob die „Klage” vor der Kongregation selbst (im Verwaltungsverfahren) oder einem von dieser zu bestimmenden Gericht behandelt wird. Auch hier war (jedenfalls bis zum Inkrafttreten des CIC 1983) die gerichtliche Entscheidung die Ausnahme.110 Lüdicke hält den gerichtlichen Weg wegen der örtlichen Nähe bei der Erhebung der Beweise sowie der Tatsache, daß in diesem Falle Sprachschwierigkeiten keine Rolle spielen dürften, für vorzugsgwürdig.111 Richtig ist, daß in diesem Fall in aller Regel das Gericht des Ortes der Weihe bzw. der Inkardination des Klerikers über die Klage zu entscheiden haben wird (vgl. ausdrücklich c. 1993 § 2 CIC 1917). Dieses Argument überzeugt jedoch dennoch nicht. Zum einen wird die Kongregation die Beweiserhebung in die Hand des zuständigen Ortsordinarius legen, so daß sich weder Schwierigkeiten bei der Beweiserhebung noch Sprachschwierigkeiten ergeben dürften.112 Zum anderen ist das gerichtliche Verfahren umständlicher, da ein gerichtliches Urteil durch ein zweitinstanzliches Urteil bestätigt werden muß (c. 1712 CIC). Bedenkt man, daß die Frage der Gültigkeit der Weihe insbesondere auch deswegen von Bedeutung ist, weil hiervon das Vorliegen des trennenden Ehehindemisses der Heiligen Weihe (c. 1087 CIC) abhängt, hat der Betreffende ein Interesse daran, daß diese Frage so schnell wie möglich ent109 vgl. Erklärung des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten vom 19. Mai 1997, Archivfiir katholisches Kirchenrecht 166 (1997) S. 167 f. (168)unter 2.Nichtüberzeugend ist jedoch, daß der Rat in diesem Zusammenhang auf c. 1720 3° CIC hinweist. Zwar darf nach dieser Vorschrift ein Strafdekret nur ergehen, wenn die Straftat sicher feststeht, jedoch ist c. 1720 CIC insgesamt nur dann anwendbar, wenn sich der Ordinarius für den außergerichtlichen Weg bereits entschieden hat (’’Meint der Ordinarius, daß auf dem Weg eines außergerichtlichen Strafdekrets vorzugehen ist...”). C. 1720 3° CIC enthält also keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Frage, ob eine Strafe gerichtlich oder verwaltungsmäßig verfolgt wird. "“Mörsdorf III (Fn. 106), S. 258. 111 MK-Lüdicke (Fn. 45), 1709 Rn. 3 112 vgl. Mörsdorf III (Fn. 106), S. 258.