Circulares litterae dioecesanae a 16-a maji-31-am decembris 1867. ad clerum archi-dioecesis strigoniensis dimissae a principe primate regni Hungariae et archi-episcopo Joanne Simor
Joannes Simor
16 Macht im Volke sein wird; denn sie ist das Band der Einheit und Stärke, das Mittel der Hingebung und Treue, der Liebe und Versöhnlichkeit. Wo sie ihr liebliches Gezelt aufschlägt, und den ganzen Menschen durchdringt und erfüllt, da entfaltet sich die reichste Mannigfaltigkeit, und fröhliche Harmonie geistiger und materieller Kräfte, um ein Volk zufrieden und glücklich, einig und stark, frei und gross zu machen, und den wohlbegründeten Ruhm seiner Aclituug und Ehre überall hin zu verbreiten, Ja, wenn die christliche Religion der Lebensnerv in einem Volke geworden, da lässt der wonnevolle Friede des Gewissens sich nieder. Da ist des Priesters und des Laien schönster Schmuck die Freude der Tugend und Gottseligkeit, da schirmt Gottesfurcht, Recht und Gerechtigkeit; da verbreiten reine keusche Sitten und die Heiligkeit des Ehebandes einen erhabenen Glanz, Mässigkeit verleiht dem Volke Freudigkeit und Kraft zu gesegneten Anstrengungen; da werden die Leiden des Lebens versüsst in den Tröstungen der heiligen Religion und im Gottvertrauen;jene wilde Vergnügungs- und Genusssucht ist verbannt, die sonst so viele edle Eigenschaften verschlingt, das Glück von Unzähligen zu Grabe trägt ; in ihrer Unersättlichkeit, Standespflicht und Ehre schamloser Vergessenheit überliefert, die weise Benützung der Zeit, und den Segen geordneter Thätigkeit beseitigt, und dem Menschen Verderben bereitet für Zeit und Ewigkeit. Wo unsere heilige Religion den Scepter führt, da eröffnet sie im Herzen der Menschen eine Quelle seliger Befriedigung, sie lehrt die Reichen und Mächtigen, die Armuth zu lindern, die Schwachheit zu schützen, und in de- müthiger Selbstvergessenheit, und mit freigiebiger Hand die Güter dieser Erde zur Ehre Gottes, und zum Wohl und Frommen der Menschen zu verwenden; sie mahnet zu Fleiss und Thätigkeit, zu Bescheidenheit und Sparsammkeit, um für die Tage der Noth eine Hilfsquelle zu erübrigen, hält die harte Gier nach Geld und Gewinn nieder, die sobald den Menschen zum einträglichen Arbeit- und Lasethier herabdrückt, und sein kummerreiches Elend noch in mannigfaltigen Kunstgriffen mit eisiger Erbarmungslosigkeit, und höllischer Verworfenheit auszubeuten sucht. Wo unsere Religion ihre heilige Macht zur Geltung bringt, da ziert sie die Menschen mit einer wahrhaft göttlichen Würde, „Geliebteste wir sind Kinder Gottes;“ *) erhebt die Menschen zu Gott „durch Christus hat uns, Gott die grössten und tröstlichsten Verheissungen geschenkt, dass ihr durch dieselben theilhaftig werdet der göttlichen Natur, ihr, die da fliehet die Verderbnisse der Gelüste der Welt“; 2) und zieht Gott herab zu den Menschen. „Ihr seid ein Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott spricht: ich will in ihnen wohnen, und mit ihnen wandeln, und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.“ 3) Diese göttliche Würde im Menschen vertreibt den verderblichen Stolz, der den Mitmenschen so leicht verachtet und misshandelt, sie lehrt in Jedem die Liebe des Vaters ehren, der im Himmel ist, und dessen Auge mit zarter Sorge über jedes seiner Geschöpfe wacht; sie hüthet und bewahrt den Menschen vor dem ecklen Prunke pharisäischer Selbstgerechtigkeit, die ein Gräuel ist vor dem Angesichte Gottes. Urtheilet selbst, wie herrlich muss sich das Leben eines Volkes gestalten, wie segensreich die Zukunft eines Staates sich heranbilden, wo diese Eure heilige Religion mit *) Joann. 3, 2. — 2) 2. Petr. 1, 4. — 3) 2. Cor. 6. 16.