AZ ORSZÁGOS SZÉCHÉNYI KÖNYVTÁR ÉVKÖNYVE 1982-1983. Budapest (1984)

III. Könyvtörténeti és művelődéstörténeti tanulmányok - Fallenbüchl Zoltán: Magyarok és idegenek a törökelleni felszabadító háború korszakában (1683-1699) - Die Landeskinder und die Fremden in Ungarn zur Zeit der Befreiungskriege gegen die Türken 1683—1699

Greis die Befreiung der Stadt noch erlebte. Seine Mutter war eine Bürgerstochter von Buda, die schon in der unter Türkenbesetzung stehenden Stadt geboren war und einen ungarischen Grenzsoldaten heiratete. Der Erzbischof arbeitete sich durch die kirch­liche Laufbahn empor und brachte die Verwandten auch in den ungarischen Adel. Eben das Grenzsoldatentum war der andere Hauptträger des ungarischen National­bewußtseins. Im Dienste des Königs (oder des Fürsten) stehend, war es das stärkste Mittel des Abwehrs gegen die vordringenden Türken. Der oft schlecht bezahlte und versehene ungarische Soldat konnte sich mit Recht als Verteidiger des ungarischen Staates, ja auch als Schützer der ganzen Christlichen Welt betrachten. Der Militaris war zwar kein Stand im juristischen Sinne, wohl aber ein realer gesellschaftlicher Übergangstyp vom „Geburtsstand" zum „Berufsstand". Er kann sowohl mit den Berufssoldaten anderer Länder Europas und früherer Zeiten, als auch mit dem Szék­lertum in Siebenbürgen in Zusammenhang gebracht werden. Die sog. „Haydueken" in Transtybiscanien waren aber nur ein kleiner Teil dieser überall anzutreffenden Militaris-Schicht, welche die ursprünglich fremdgebürtigen Kameraden zu Ungarn assimilieren verstand. Diese Grenzsoldaten, Haydueken und Husaren, in und um den, von dem König erbauten und erhaltenen Festungen in einem Grenzwall von der Adria bis zu den Karpathen kämpften tapfer gegen den Erzfeind — wie der Türke genannt wurde — waren aber im Vergleich zu den deutschen Soldtruppen trotzdem benachtei­ligt, weil sie die moderne methodische Strategie mangels Erfahrung nicht aneignen konnten. Doch nahm diese „Militia Nationalis" in grosser Anzahl und mit vielen Verlusten am Befreiungskrieg 1683 — 1699 teil, konnte zumeist als Besatzungstruppe und Spähtruppe verwendet werden. Die Attitüde der Untertanen war zwar im Grunde dieselbe als jene der Adeligen und der Soldaten. Sie blieben auch nach der Türkenbesetzung fast 150 Jahre lang nicht nur dem christlichen Glauben treu, sondern bewahrten auch ihr Rechtsverhältnis zu ihrem zumeist ins unbesetzte Gebiet geflüchteten Grundherrn, und zahlten ihm die Abgaben. Diese Attitüde war zwar eine eher passive, aber dennoch starke Bindung. Denn die Untertanen mussten sich am meisten von dem Krieg mit den Türken fürch­ten, da der Türke sie massenweise in eine Sklavenschaft ausser Landes bis nach Anatolien verschleppte. Tribut an den Grundherrn im unbesetzten Gebiet, oft durch die ungarischen Grenzsoldaten eingehoben, bedeutete doch ein Festhalten an dem ungarischen Staat und am König von Seiten der unter türkische Herrschaft ge­kommenen Untertanen, welche auf diese Weise doppelt besteuert wurden. Die Sprachzugehörigkeit trat in diesem Zeitalter hinter der konfessionellen stark zurück. Unter den Ungarn vertraten Katholiken und Protestanen verschidene Atti­tüden: aber in beiden Lagern waren die Tonangebenden magyarische Edelleute. Im Karpathenbecken war eben zu dieser Zeit der magyarische Stamm der einzige, welcher eine integrierte, auf alle Schichten sich ausbreitende Gesellschaft hatte, trotz der grossen Anzahl der Nichtmagyaren. Die Deutschen bildeten zwar den Grossteil der Bürgerschaft, hatten aber keinen autochtonen Hoch- und nur einen sehr schwachen Kleinadel. Die Kroaten brachten einige angesehene adelige Geschlechter hervor, hatten auch einen sehr zahlreichen Kleinadel, aber nur ganz bescheidene Bürgerschaft. Die Slowaken hatten keinen Hochadel, brachten nur einen ziemlich armen Kleinadel hervor und einen neben dem deutschen verhältnissmässig schwächeren Bürgerstand. Auch die Magyaren waren in den Städten des nördlichen Hochlandes der Zahl nach weniger als die Deutschen und die Slawen, hatten aber dafür die leitenden Stellungen in den Städten inne, denn sie waren, als Mitglieder des in die Städte gezogenen magyari­schen Kleinadels als die vornehmsten empfunden. Jedenfalls war der Hochadel fast ganz, der niedere Adel überwiegend magyarisch, daneben die autochtone Militaris­Schicht, und das Magyarentum hatte auch grosse bäuerliche Massen. Dennoch spielte die magyarische Sprache — mit vielen lateinischen Lehnwörtern und ganzen Aus­drücken penetriert — nur bei den Untertanen magyarischer Muttersprache die Rolle, welche sie als Kriterium der ethnischen Zugehörigkeit verdiente. Die Rolle des amtli­chen Lateins blieb unangetastet, obwohl Reformation und Rekatholisierung beide sich stark der magyarischen Sprache bedienten und tatsächlich eine magyarische Litera­tursprache entwickelten. Die Schulen aller Konfessionen förderten aber gleichfalls das Latein, welches sie als einen Kommunikationsfaktor nicht nur für das Land selbst, sondern auch als ein Fenster für ganz Europa — ganz begründet — betrachteten. 461

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