Radocsay Dénes - Gerevich Lászlóné szerk.: A Szépművészeti Múzeum közleményei 30. (Budapest,1967)
WINZINGER, FRANZ: Ein umstrittenes Studienblatt Albrecht Dürers in Budapest
um eine sklavische Nachbildung. Es sind immer ganz freie, geistvolle Abwandlungen Dürer'scher Vorwürfe. In jedem Fall haben sie den vollen Klang und jene reine Durchsichtigkeit, die einem hervorragenden Original eigen ist. Es gibt keinen Kopisten, der die ganze Klaviatur Dürers so frei und mit solch gelöster Fingerfertigkeit durchspielen könnte, ohne sich nicht wenigstens an einer Stelle zu verraten. Und so können wir nur das wiederholen, was Winkler schon feststellte, dass «überzeugende Merkmale einer Kopistenhand kaum zu finden seien». Dass es in Wirklichkeit die Hand Dürers selbst ist, die das seltsame Blatt entwarf, soll vor allem durch die Gegenüberstellung von unzweifelhaft echten Zeichnungen Dürers mit den Einzelteilen des Budapester Blattes bewiesen werden. Das bedeutendste Stück dabei ist die Skizze mit der sitzenden Madonna und dem lautespielenden Engel (Abb. 15). Es gibt mindestens vier nah verwandte, ähnlich freie Entwürfe Dürers, davon allein drei im Musée Bonnat in Bayonne (W. 839, 855, 856) und eine im Louvre (W. 838). Alle bezeugen, dass sich Dürer in den Jahren 1521 — 22 mit grösster Hingabe mit der Idee eines grossen Bildes der «Maria mit Kind mit musizierenden Engeln», umgeben von zahlreichen Heiligen, befasste. Aus allen vier Skizzen, die alle Kennzeichen von gross zusammenraffenden, Bildentwürfen aufweisen, lassen sich leicht verblüffend ähnliche, subtile handschriftliche Züge entnehmen, die auch für die Budapester Skizze so kennzeichnend sind. Aber es genügt allein ein entsprechender Ausschnitt des Pariser Blattes (Abb. 16) um jeden Zweifel an der Eigenständigkeit auszuschalten. Es gibt keinen Kopisten, der diese knappen, unnachahmlich genialen Formstenogramme «nachzeichnen» könnte. Niemals würde er die ungehemmte «fliegende Eile» der Federstriche treffen können. In beiden Skizzen entspringt jeder Zug ganz unmittelbar einer höchst kraftvollen Formvorstellung. Nirgends zeigt sich Nachempfundenes. Allein die zwei haarfeinen, tastenden Senkrechten, die neben der Segenshand der «Budapester Maria» wohl den Schleier andeuten sollen, kennzeichnet den ganz freien Entwurf. Ein Kopist hätte sie in dieser zarten Empfindsamkeit niemals in dieser Weise wiederholen können. Aus all diesen Gründen ist deshalb auch auf dem Blatt die Marienskizze am wenigsten als Werk Dürers angezweifelt worden. 17. Albrecht Dürer: Studienblatt (Ausschnitt). Budapest, Museum der Bildenden Künste 18. Albrecht Dürer: Selbstbildnis (Ausschnitt). Ehemals in Lemberg