Petrovics Elek szerk.: Az Országos Magyar Szépművészeti Múzeum Évkönyvei 9. 1937-1939 (Budapest, 1940)
Erwin v. Ybl: Das Portrait der Königin Anna
sich von dunkleren, braunem Hintergrund scharf ab. Die spätere Ubermalung wollte die frühgealterte Königin ohne Zweifel verj ungern und verschönern. Die Züge des Mundes wurden gerade gerichtet und die des Gesichtes runder und voller gemacht. Die Zeichnung der mit Perlen und Edelsteinen verzierten Goldkette, die Anna über die Schulter geworfen trägt, ist auf unserem und dem Innsbrucker Gemälde fast gleich. Die kleinere Kette und die übrigen Schmuckstücke stimmten stilgemäss mit dem Schmuck des Innsbrucker Gemäldes gleichfalls überein. Erinnern wir uns nur an jene Beschreibung zurück, die Seisenegger mit ausführlichen Einzelheiten über das stehende Portrait der Königin gegeben hat! Er erwähnte die Goldhaube, über der die Königin ein Barett trägt. Ihren Hals umschliesst eine mit grosser Sorgfalt gearbeitete Goldstickerei, sowie eine Goldkette, die erlesene Goldschmiedekunst beweist und mit goldenen Räupchen, Rubinen, Smaragden, Diamanten und schönen Perlen geschmückt ist. Ausserdem sieht man auf ihrer Brust eine goldene Doppelkette und eine kleine emaillierte Kette mit den Buchstaben des Namens der Königin. In der mit Räupchen und Edelsteinen verzierten Kette können wir zweifellos die breite Goldkette auf unserem Bilde erkennen. (Abb. 4.) Die Autoren, die Seisenegger bisher gewürdigt haben (Glück, Holst, Kenner, Rathe) charakterisieren den Meister ebenfalls als langweilig pedanten, flachen, mittelmässigen, objektiven aber gewissenhaften Künstler, der die Gewänder und Schmuckstücke mit peinlicher Genauigkeit darstellt. Auf unserem goldgetönten, warmen Gemälde, sowie auf dem Miniaturbild der Königin Anna im Wiener Gebetbuch und den übrigen Wiener Habsburgerbildern sind die Gewänder und der Schmuck gleichsam mit dokumentarischer Treue wiedergegeben. Man könnte nach diesen moderne Kopien der Goldschmiedearbeiten anfertigen. Dabei malte Seisenegger leicht, gleichsam mit bebender Frische. Die weisse Farbe der geschlitzten Ärmel ist mit Lasuren aufgetragen, obgleich diese Arbeit nicht so fein und sorgsam ausgeführt ist wie auf dem früher gemalten, kleinen Bilde der Erzherzogin Eleonore im Wiener Kunsthistorischen Museum. Alldies deutet auf einen geübten Meister hin, der Tizians geniale Maltechnik gekannt hat, die er mit dünnerem Pinsel, parallelen Pinselstrichen und mit etwas deutscher Steifheit nachahmte. Auch die Modellierung der Hand, die an der Brust liegt und mit den Perlen spielt, ist zart. Die authentischen Haager Kinderbilder zeigen den gleichen Goldton. (Abb. 3.) Auch hier kommt die schmuckvolle Zeichnung der Goldbrokat-Gewänder voll zur Geltung. Der Hintergrund ist auch hier neutral gehalten, und es ist wahrscheinlich, dass die Schattierung der Kleider, die sich im Dunkel verliert, gleichfalls das Ergebnis einer späteren Ubermalung ist. Die deutschen Maler in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wie Holbein oder Dürer, Hessen die Umrisse der Gestallt viel schärfer hervortreten. Dies stimmt auch übrigens mit der steiferen Darstellung der Falten des Brokatkleides überein. Dagegen sind die Köpfe der Kinderportraits zweifellos lebenswahrer und unmittelbarer, aber ihre Gestaltung, die Zeichnung der vollen, gedunsenen Lippen und die Wellenlinien des Gesichtes, das von beiden Seiten von lockerem Haar umrahmt ist, gleichen fast völlig dem steiferen, weniger wertvolleren Portraits der Königin Anna. Auch ihre Einstellung ist ähnlich, denn Seisenegger war kein mit reicher Phantasie begabter Künstler und er wiederholte oft die gewohnten Formen. Unser Bild hat Georg Kákái Szabó, der Konservator des Museums der Bildenden Künste, von der späteren Ubermalung befreit. Die alten feinen Sprünge kamen wieder zum Vorschein, aber die Barockjahrhunderte haben dem Bilde immerhin dermassen geschadet, dass wir seine ursprünglichen Qualitäten nur an den Gewändern geniessen können. 19 Am oberen Teile der Holztafel konnte man vor der Entfernung der Übermalung auf dem graubraunen Hintergrund die mit lichteren Buchstaben geschriebene folgende Aufschrift lesen: „Anna, Filia vladislai Regis Hung. Vxor Ferdi I. Imp." Nach der Reinigung hingegen kam: „Ferd. Regis Hung." zum Vorschein, was beweist, dass das Gemälde noch zu Lebzeiten der Königin entstanden ist, als Ferdinand noch nicht Kaiser war. Das lateinische Wort „Hares" über Anna Filia bedeutet Erben, denn der ungarische königliche Tron vererbte sich durch Anna auf ihren Gatten Ferdinand von Habsburg. Auf dem Rücken der Tafel, der mit Kreuzlatten verschalt ist, kann man eine Petschaft mit dem Mono19 Auch nach Meinung des Direktors der Wiener Staatlichen Bildergalerie Dr. Ludwig von Baldass stammt das Bild von Seisenegger. Das Gesicht, glaubt er, hätte stark gelitten.