Cseri Miklós, Kósa László, T. Bereczki Ibolya szerk.: Paraszti múlt és jelen az ezredfordulón - A Magyar Néprajzi Társaság 2000. október 10-12. között megrendezett néprajzi vándorgyűlésének előadásai (Szentendre: Szabadtéri Néprajzi Múzeum; Magyar Néprajzi Társaság, 2000)
LUKÁCS László: A néprajzi látásmód az ezredfordulón
DIE VOLKSKUNDLICHE SICHTWEISE AN DER JAHRTAUSENDWENDE LÁSZLÓ LUKÁCS In seinem Buch Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit regte Herder in bezug auf die Ungarn die Möglichkeit des Aussterbens ihrer Sprache an. Glücklicherweise wurden die Ungarn nicht bloâ von der düsteren Wahrsagung, sondern auch vom Herder'schen Gedanken des Volksgeistes berührt. Auch die ungarische Volkskunde entstand zur Reformzeit (1825-1848) mit der Absicht, die Werte des Volksgeistes zu sammeln, zu hüten und darzustellen. In unserem Jahrhundert wurde die ungarische Ethnologie um Professuren und einem akademischen Forschungsinstitut vermehrt, ihr Personalstand wurde verstärkt, und mit dem Sammeln des Materials, dem Schreiben und der Veröffentlichung des Ungarischen Ethnographischen Lexikon, des Ungarischen Ethnographischen Atlas und des Nachschlagewerkes Ungarische Volkskunde erfuhr ihr Aufgabenkreis eine erhebliche Erweiterung. Besonders reges gesellschaftliches Interesse zeigte sich für die Ergebnisse der ungarischen Ethnologie in den 70er und 80er Jahren, zur Zeit der volkskundlichen Revolution. Die volkskundliche Revolution - eine gesellschaftliche Bewegung der ungarischen Volkskundler, schaffenden Volkskünstler, Volksmusiker, Volkstänzer, Volksliedsänger, ethnographische Photographen und Filmer - erinnerte die ungarische Gesellschaft daran, daä die ungarische Volkskultur auch nach europäischem Maâstab bedeutende Werte darstellt. Die ungarische Volkskunde, als nationale und europäische Wissenschaft, vermochte mit diesem Sendungsbewußtsein solche Erfolge zu erzielen, daä sie in einem Atemzug mit der hochentwickelten Volkskunde des deutschen Sprachgebietes und der skandinavischen Länder erwähnt wurde. Gewisse Fragen, z. B. die Betonung des Daseins der einen und unteilbaren ungarischen Nation, einschließlich die Angelegenheit der infolge der seit 1920 bestehenden Staatsgrenzen in den Nachbarländern lebenden Ungarn, wurde allein von der Volkskunde auf dem Tapet gehalten. Dies bezeugt, daß die Pfleger der ungarischen Volkskunde ihr fachliches Identitätsbewußtsein nicht verloren und nach wie vor in Kategorien der Volkskultur des gesamten ungarischen Sprachgebietes und der jahrhundertelangen Kontakte und Wechselwirkungen mit der europäischen Nachbarvölkern denken. Seit 1920 lebt jeder dritte Ungarn außerhalb der Grenzen Ungarns: entweder in Seinem Geburtsort (nunmehr in einem der Nachbarländer) oder in Westeuropa bzw. in Übersee. Das ungarische Volk existiert mithin im Rahmen einer Mosaiknation, deren Mitglieder - außerhalb Ungarns - in der Slowekei, der Ukraine, in Rumänien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich leben. Mosaiknation bedeutet soviel, daß jedes Stück des Mosaiks ein selbständiges, separates Teil, doch nur mit allen übrigen zusammen komplett is. Der Anspruch auf solche Vollständigkeit ist aber für das Ungartum bis heute reine Illusion geblieben, zumal es in acht verschiedenen Ländern lebt, die jeweils eine andere gesellschaftlich-wirtschaftlichpolitische Einrichtung, Sprache und Kultur haben und in meisten Fällen die eigene Nationalstaatlichkeit anstreben. Die ungarische Volkskunde hat an der Erschlieâung der Werte des Herder'schen Volksgeistes stets erfolgreich und mit der Zeit immer effektiver mitgewirkt. Der Hauptgegenstand unserer Forschung, das ungarische Volk, betroffen von einer demographischen Krise, überschreitet die Schwelle des dritten Jahrhunderts abermals im Schatten der düsteren Herder'schen Prophezeihung.