Kornis Péter: ERDÉLYI KÉPEK 1967-2004 (Kiállítási katalógusok - Szentendre, Szabadtéri Néprajzi Múzeum, 2005)

DIE LETZTEN MOMENTE EINER ENTSCHWINDENDEN WELT • Die Erwähnung Siebenbürgens in Ungarn wurde noch Ende der sechziger Jahre als „nationalistisch" ausgelegt. Wenige - vor allem die Ethnografen - hatten Kenntnis davon, dass die Traditionen in zahlreichen ungarischen und rumänischen Dörfern noch unberührt weiterlebten, und dass die Leute dort noch ihre Volkstracht trugen. Péter Korniss begleitete im Herbst 1967 seinen Freund, den Ethnografen und Choreographen Ferenc Nóvák in das kleine ungarische Dorf in Siebenbürgen, mit dem Namen Szék. Da tanzte die Jugend in Volkstracht am Samstagabend, wie es im sog. Tanzhaus üblich war. Das Erlebnis war für ihn jahrzehntelang bestimmend. Er empfand, dass er den letzten Momenten einer schwindenden Welt begegnete und dass er diese für die Ewigkeit retten sollte, und zwar in seiner Sprache, in der Sprache der Fotos. So schrieb er darüber: „Die bezaubernde Landschaft, die Zeremonien der Bräuche und nicht zuletzt die reiche Tracht bedeuteten für mich ein besonderes Erlebnis." Die selbstauferlegte Aufgabe, die Feier, die Zeremonien, die noch lebenden Bräuche zu verewigen, die Gemeinschaft der Leute bei Feiern oder bei Trauer zu fotografieren, brachte unvermeidlich mit sich, ihren Alltag, ihre schwere Arbeit aber auch ihre gegenseitige Hilfsbereitschaft zu fotografieren. Die so Verewigten empfanden die Gegenwart des Fotografen als natürlich. Sympathien, sogar Freundschaften entstanden. Korniss stand bei seinen neu erworbenen Freunden in Szék sogar Pate. Sein Band Vergangene Zeit, der diese Bilder enthält, wurde 1978 fertig. Das Nachwort schloss er mit dem folgenden Gedanken ab: „... dies ist eine bäuerliche Welt, die sich von uns immer mehr entfernt. Ihre Hauptfiguren sind unsere Zeitgenossen. Ihre Zärtlichkeit, Verzweiflung, Lustigkeit oder Traurigkeit gehören uns allen - ihre Lebensverhältnisse jedoch gehören schon bald der Vergangenheit an." Er hatte das Gefühl, sein Unternehmen vollendet zu haben. Anlasszum Neubeginn gaben die Veränderungen in Osteuropa in den neunziger Jahren. Die Verwirrung erreichte auch Siebenbürgen. Die uralten Traditionen begannen sich zu lockern. Korniss machte sich zur Aufgabe, diesen Prozess, die Änderungen in dieser besonderen Welt auch zu verewigen. Das Fernsehen verursachte große Änderungen in der Freizeit, der Unterhaltung und den Sehnsüchten der Menschen. Eine fremde, entfernte Welt hielt Einzug in die immer größere und komfortablere Häuser. Zu den handgewobenen Textilien und handgemalten Tellern an den Wänden gesellten sich Fabrikteppiche, Poster, Riesenarmbanduhren und Popstars. Die Requisiten der modernen Welt erschienen auf den Bildern der wandelnden Welt: billige Fabriknippes, T-Shirts mit Aufdruck, Autos mit der Ausstattung der guten Stube. Korniss hatte nun eine Idee: die inszenierten Bilder. Er fotografierte auf diese Weise diejenigen, die ihm nahe standen. Er selber wurde überrascht, als er das Wunder vor dem Apparat auf dem Stativ sah: die Stimmung der alten Fotokunst war zurückgekehrt. Die Kamera lockte längst vergessene Posen, ergriffene Blicke, von den Vorfahren geerbte Haltungen hervor. Péter Korniss fotografiert nie wie ein Außenstehender. Seine gefühlsträchtigen Bilder sind mit Licht geschriebene menschliche Geschichten. Ihre Figuren sind alle liebenswürdige Kreaturen, die uns nahe stehen. Zsuzsa Rappai 5

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