KÖTŐDÉSEK. A VIDÉKI MAGYARORSZÁG EMLÉKEZETE (Kiállítási katalógusok - Szentendre, Szabadtéri Néprajzi Múzeum, 2003)
Geschichte der ungarischen Bildhauerei der modernen Zeit hervorragende Bedeutung haben im Bereich der monumentalen Bildhauerei, wie auch in der Kleinplastik und in der Medaillenkunst. Die Schaffensperiode der Gewerbekünstler in Szentendre traf mit der Zeit zusammen, als die Grenzen der Gattungen und Kategorien verflossen, die Funktionen in den Hintergrund rückten, Autonomität sich verbreitete, und die traditionelle Kunst mit neuen Materialien und Techniken bereichert und kombinierte wurde. Die Bindungen-Sammlung spiegelt den gegenwärtigen. Zustand dieser „Struktur der Kunst" wider, wo die Malerei ihre Dominanz bewahren kann, aber die oben geschilderten Änderungen und Erweiterungen sich genau registrieren lassen. Dabei ist eine betonte Präsenz einer in Szentendre bis jetzt ziemlich in den Hintergrund gedrückten Kunstgattung zu beobachten: die Schaffenden der Fotokunst stellen eine wichtige Gruppe innerhalb dieser Selektion dar. Traditionelle Bilder, Grafiken, Plastiken, Objekte des Kunstgewerbes, Fotografien - Kompositionen die den traditionellen Status des Kunstwerks beibehalten und sich Kunstgattungen und Kategorien eingliedern - sind für die Eröffnung der neuen Galerie des Ungarischen Freilichtmuseums eingetroffen: als ob wir eine Tendenz in Richtung einer Art Klassizismus sehen würden. Es ist ein interessantes Phänomen innerhalb der Kunst von Szentendre, die so intensiv mit Formauflösung,'mit der Absicht der In-Frage-Stellung der traditionellen Werte, mit der Geistlichkeit der Neuerung durchtränkt ist. Nun finden wir hier keine Objekte, Installationen, Raumeinrichtungen, Videokompositionen sowie die Konventionen radikal ablehnende oder eigengesetzlich komponierte Werke - wie vermutlich auch keine Performance, Aktionskunst mit diesem Ausstellungsmaterial verbunden wird - der Besucher sieht hier lauter nüchterne, gefasste Kunstwerke. Auch wenn die ausgestellten Kunstwerke aus so unterschiedlichen Motivationen entstanden sind und deren Künstler verschiedene Generationen vertretend; stilistisch eine reiche Vielfalt bieten, bleibt die Welt der Ausstellung in einer organischen Einheit im Rahmen des von den Veranstaltern abgesteckten Programms, wo die Vergangenheit im Mittelpunkt steht. Unter dem Titel der Ausstellung Bindungen steht ein interessanter, rätselhafter Untertitel: Erinnerung an das ländliche Ungarn. Die sich in Allgemeinheiten erhebende Formulierung suggeriert in der Welt der Globalisation und in der Zeit der Urbanisation die selbstverständliche Anwesenheit der Erinnerung an eine menschennahe Region, an einen Lebensraum, der zur Natur noch wirkliche Beziehungen hat, und dass dies alles vielleicht gar nicht mehr existiere, sie sei nur noch auf der Ebene der Erinnerung vorhanden. Das Schlüsselwort der Ausstellung ist also die Erinnerung. Der Kunstphilosoph Lajos Fülep schrieb nachstehende Gedanken in seinem 1911 veröffentlichten großartigen Essay .Die Erinnerung in der Kunstschaffung': „... Erinnerung ist nicht nur der Ausdruck von vergangenen Sachen, sondern auch von der Gegenwart und jede gegenwärtige Intuition muss sich in Erinnerung umformen, damit sie ausgedrückt werden kann, d.h. - im gegebenen Fall - um zur Kunst zu werden. Daraus folgt im weiteren, dass nicht die Intuition mit dem Ausdruck identisch ist, sondern die Erinnerung. Daher die These: jeder Ausdruck ist Erinnerung." Hundert Jahre nach der Aufzeichnung dieser Gedanken haben die Feststellungen von Lajos Fülep ihre Gültigkeit nicht verloren und sind für die Künstler und Werke in dieser Kollektion in Szentendre, die die Schichten und Phänomene der Vergangenheit heraufbeschwören und zu gegenwärtiger Kunst synthetisieren zutreffend: „Künstler ist derjenige Mensch, in dem die reinen Erinnerungsbilder in größerem Reichtum und von der Wirklichkeit viel mehr unabhängig leben, als in den anderen Menschen, und die in den praktischen Aktionen nicht erschöpft sind. Die Kunst ist gerade eine Erlösung von diesen. Wenn eine Erinnerung eine definitive Form annimmt, ist es ein solcher Moment der Freiheit, den der Mystiker in der Ekstase erlebt, als er vom Dasein befreit zum Sein heimkehrt. Diese Momente des Außer-Zeit-Seins und der Ewigkeit sind aber auch bei den Mystikern nur temporär - und das ist das größte Paradoxon bei ihnen. Wie es die Mystiker formulieren: so lange der Mensch in der Zeit lebt, kann er nicht lange die Ewigkeit betrachten, er muss in die Zelt zurückkommen. Ähnliche Momente sind die fertigen Formen im Leben des Künstlers, die endgültig sind, die Ewigkeit bedeuten, und trotzdem kann man nicht ewig bei ihnen bleiben, weil der Mensch ständig in die Zeit zurückkehren muss." Die Werke der Ausstellung Bindungen stehen vor uns im Geflimmer von Vergangenheit und Gegenwart, von Zeit und zeitloser Ewigkeit: als Erinnerungen und als Einladung zur Erinnerung. Tibor Wehner