T. Bereczki Ibolya (szerk.): GYERMEKVILÁG MAGYARORSZÁGON (Kiállítási katalógusok - Szentendre, Szabadtéri Néprajzi Múzeum, 2003)

das Leben der Gemeinschaft um und besiegelte damit auch das Schicksal der Kinder. in den meisten Fällen überlebten aber die Kinder die Stürme, ertru­gen die Schicksalsschläge mit Würde. Dies war der unsichtbaren zusam­menhaltenden Kraft der Familie und der Gemeinschaft zu danken, die die Lebensweise der Gemeinschaften auf dem Lande jahrhundertelang bestimmt hat. In dieser Gemeinschaft, die innerhalb einer strengen Ordnung funktionierte, erlebten die Kinder eine tatsächlich sorglose Kinderzeit, aber hier lernten sie auch die menschlichen Tragödien ken­nen. Hier begegneten sie das erste Mal Not und Tod. Sie erfuhren von den Märchen, dass es gute und schlechte Könige gab und sie wuchsen mit dem Gedanke auf, dass es mörderische, aber auch opferbereite, mutige Soldaten gab. Die Ordnung der kirchlichen Zeremonien brachte ihnen Disziplin bei, das Leben der biblischen Gestalten, die Taten der Helden, Märtyrer und Heiligen dienten ihnen als Beispiel. Die heilige Lebensführung, das Heldentum, die Opferbereitschaft formte ihren Charakter, bot ihnen Kraft und innere Haltung um die schweren Zeiten zu ertragen, als die Geschichte in ihr individuelles Leben eindrang. Sie mussten die Schicksalsstunden erdulden und ertragen und manchmal gestalteten sie selber die Geschichte. Das Mädchen auf dem Foto war 1914, zu Beginn des Ersten Weltkrieges, sechs Jahre alt, als ihr Vater einrücken musste. Ihre Eltern schrieben einander jede Woche Briefe. Die Mutter schrieb über die Ereignisse im Dorf, der Vater über die Front. Der Vater fiel im näch­sten Jahr. Das Mädchen wurde Kriegswaise. Später heiratete sie und hatte zwei Söhne. Ihr Mann fiel im Zweiten Weltkrieg. Ihre Söhne wuchsen auch als Kriegswaisen auf. Als Folge des Friedensdiktats von Trianon nach dem Ersten Weltkrieg, im Jahr 1920 verlor Ungarn zwei Drittel seines Territoriums. Damit auch zwei Drittel der Bevölkerung. So befand sich plötzlich eine große Anzahl Ungarn in der Tschechoslowakei, in Rumänien, in der späteren Jugoslawien und in Österreich. Diese Situation ließ das Schicksal der Kinder in keinem Bereich unberührt. Es war ihnen unter Umständen untersagt, in den Schulen ihre Muttersprache, Ungarisch zu lernen. Die Lehrbücher verbreiteten verfälschte Informationen über unsere tausendjährige Geschichte. Assimilationsbestrebungen tobten in den Schulen. Erwachsene und Kinder wurden nur deshalb gedemütigt, weil sie ungarischer Abstammung waren. - Die Verwüstungen während des Zweiten Weltkrieges, die Entbehrungen, die Deportationen, die Bombardierungen und Zerstörung durch die Besatzungsmächte ruinierten das Leben der Kinder auch. In diesen Jahren waren sie mit einer großen Anzahl toten Bekannten und Verwandten konfrontiert, eine Vielzahl von seelisch und körperlich verkrüppelten Kriegswaisen war wurzellos geworden. Der sog. Bevölkerungsaustausch nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutete die zwangsweise Abschiebung von ungarischen und slowakischen Familien, ihr Ausreißen vom heimatlichen Boden. Vom ungarischen Gebiet, die nun zu der Sowjetunion gehörte (und heute zur Ukraine), wurden Zehntausende ungarischer Männer und Frauen in die Gulags verschleppt nur, weil sie Ungarn waren. Die Kinder haben all das gese­hen und miterlebt, weil auch sie Teil der Gemeinschaft und Zeugen der Schreckensereignisse waren. In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts erwarteten neue Schicksalsprüfungen die ungarische Gesellschaft. Tausende Bauernfamilien, die über mehr Land verfügten, als es der Staat guthieß, wurden in andere Landesteile übersiedelt. Bauern, die ihre Wirtschaft gut führten, mussten das Land ihrer Vorfahren verlassen. Die Deportationen waren oft unerwartet, innerhalb von einigen Stunden durchgeführt, so dass sie kaum etwas von ihren persönlichen Sachen mitnehmen konnten. Aus den Städten wurden solche Bürger abgeschleppt, die mehr Vermögen hatten, als es der Sozialismus zuließ. Es waren oft Familien mit historischen Namen, die diesen Deportationen zu Opfer vielen. Beim Ausbruch der Revolution 1956 gegen die russische Besatzung beteiligten sich auch die kinder an den Ereignissen. Viele Kinder im Alter von 12-13 Jahren griffen zu Waffen auf den Straßen von Budapest, um für die Freiheit zu kämpfen. Viele unter ihnen starben dabei. Das Kind ist unschuldig. Das zweijährige Mädchen auf dem Foto, das hinter einer Kanone sitzt im Ersten Weltkrieg ist ebenfalls unschuldig. Immerhin spielen die Kinder gerne Soldat. Kleines Schwert, kleines Gewehr, kleiner Tank, kleine Kanone, kleines Flugzeug... DIE TRADITION ERNEUERT SICH Zu Ende des 19. Jahrhunderts lebte noch drei Viertel der Bevölkerung Ungarns in Dörfern. Unsere "Alltagsgeschichte" ist also mit der Geschichte der Dorfbewohner und Bauernfamilien eng ver­bunden. Fast jede Familie verfügt noch heute über Bauernvorfahren, oder mindestens über einen Verwandten, der in einem Dorf lebte. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts veränderte das wirtschaftliche-gesellschaftliche Leben völlig, und demzufolge verän­derte sich auch das Dorf und damit die bäuerliche Lebensweise. Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften traten an die Stelle der Familienwirtschaften. Nach den 1950er Jahren verließen viele Dorfbewohner, vor allem Jugendliche, ihren Heimatort und zogen in die Städte. Sie wurden Industriearbeiter, Intellektuelle, aber gleich­zeitig eine entwurzelte Gesellschaftsschicht. Viele Häuser standen leer und ganze Dörfer wurden entvölkert. Die einst geschäftigen dörf­lichen Werkstätten blieben ohne Meister und Lehrling. Nicht nur die traditionelle Familien-, aber auch die Dorfgemeinschaft ist auseinan­dergefallen. Die Politik unterstützte die Bewahrung der uralten Traditionen und Volksbräuche nur der Form nach. Die ehemaligen Trachten, stolz getragene Kleider wurden in den Kisten verstaut, die Stadtkleidung, die Konfektion ersetzte sie. Es waren begeisterte Pädagogen auf dem Lande, die neben den Museen die Aufgabe der Bewahrung der dörflichen Vergangenheit auf sich genommen hatten. Sie suchten mit ihren Schülern die Dachböden ab und förderten verborgene Schätze, die Gegenstände der bäuerlichen Welt ans Tageslicht und erhielten sie für die Zukunft. Diese Sammeltätigkeit bildete die Grundlage von zahlreichen Dorfmuseen. Die Forscher fragten die Alten aus, notierten die Lieder, Tänze und Bräuche der Dorfgemeinschaft, sowie individuelle Schicksalsgeschichten. Das reiche Erbe wurde in den Archiven von Museen und Forschungsinstituten gespeichert. Die Forschungstraditionen der 1940er Jahre folgend entfaltete sich in den 1970-80er Jahren landesweit eine Heimatkundebewegung. Dank einer Initiative im Fernsehen wurden überall im Lande Volksliedzirkel und Tanzgruppen gegründet und viele Dorfgemeinschaften hatten die Gelegenheit die Öffentlichkeit mit ihren Schätzen über das Fernsehen bekanntzumachen. In den 1970er Jahren sehen wir die Entfaltung eines neuen Prozesses unter der städtischen Jugend, vor allem in der Hauptstadt. Sie wandten sich der dörflichen Lebensweise zu, sie bestrebten sich kennenzulernen, wie die Dorfleute früher gelebt, gearbeitet, gefeiert hatten. Als Katalysator fungierten die Volkstanz-Ensembles und Volksmusiker, die das Land, vor allem aber die Dörfer in Siebenbürgen durchforschten, um aus der reinsten Quelle Musik und Tanz zu sam­meln und zu erlernen. „Moderne" Tanzhäuser wurden gegründet, wo - als Freizeitbeschäftigung - Hunderte von Jugendlichen die tradi­tionellen ungarischen Tänze und Lieder erlernten. Kleidung aus Naturstoff mit Folklore-Motiven verschönert wurde zur neuesten Mode. Archaische Bauernmöbel, Textilien und Tonware dekorierten die Wohnungen. Die Jugend hatte wieder Interesse an altes, kaum mehr praktiziertes Handwerk. Sie erlernten den Beruf von alten Meistern und wurden zu Künstlern der Volkskunst. Das traditionelle Hausgewerbe wurde als Volkskunstgewerbe neu belebt. Die natürliche Umgebung wurde wieder geschätzt. Viele verließen die Stadtwohnungen und bevorzugten ein Häuschen auf dem Lande. Dies alles schien zuerst eine vorübergehende Modeerscheinung zu sein. Die Bewegung fasste aber Fuß und wurde zum Lebensstil. Die Jugend der siebziger Jahre hat allem Anschein nach ihre - verloren geglaubten - Wurzeln gefunden und bestrebt sich, die Werte der Volkskultur ihren Kindern zu vermitteln. Ein Beweis dafür ist das leb­hafte Interesse, womit die Programme im Ungarischen Freilichtmuseum Szentendre, oder die Tanzhaus-Treffen, die Volkskunst-Märkte, die Ethnographie-Lager verfolgt werden. Die Gründung von Handwerks- und Volksmusikschulen, sowie die Tatsache, dass die Ethnographie als Lehrfach in der Grund- und Mittelstufenbildung eingeführt worden ist, liefern Beweise dafür, dass die Werte bewahrt und weitergegeben werden. Mit Hilfe der Eltern und der Lehrer kann die bäuerliche Tradition den Kindern auf diese Weise als geistige Nahrung für das Leben mitgegeben werden. 12

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