Kassák Lajos: MA buch (Berlin, 1923, Facsimile: Kassák Múzeum, 1999)

gangsperiode, die die Notwendigkeit einer neuerlichen Vorbereitung, einer inneren Sammlung herbeiführte. Deshalb typisch, weil sie des zufälligen Inhalts entblößt sind und zum einzigen Inhalt ein kos­misches Gefühl haben, die Art und Weise, wie der Dichter das Universum erfühlt hat. So haben denn diese Dichtungen auch mit keiner Schule zu tun. Sie gehen bis zu den Wurzeln zurück und gehören nicht mehr zu diesem oder jenem Stil, sondern zur Kunst. Mit ihnen beginnt eine neue konstruktive Möglichkeit der Dichtung, wie denn Kassák sich überhaupt zu einer auf konstruktiver Basis bauenden Architektur bekennt und den Elementen seiner Dichtung neuerdings auch als Maler zum Ausdruck zu verhelfen bestrebt ist. Daher die zusammenfassende Bezeichnung seiner Bilder: Bildarchi­tektur. Von Kassák stammt auch die sogenannte Bilddichtung, die den Versuch unternimmt, die Wirkung des geschriebenen Wortes durch typographische Behelfe zu erhöhen. Zu bemerken ist, daß die Bilddichtung, von der übrigens eine Kostprobe auch in das gegen­wärtige Buch aufgenommen wurde, nicht mit illustrativen An­sprüchen auftritt, was ja auch dem themalosen Charakter der Ge­dichte widersprechen würde; es handelt sich hierbei nur um Aus­beutung und künstlerische Verwertung der durch die Typographie gebotenen plastischen und optischen Möglichkeiten. Kassáks Ver­suche auf diesem Gebiete sind zumindest um ein Jahr älter als die Beauduins, der das synoptische Gedicht — offenbar auf Grund ähnlicher Erwägungen — ins Leben rief. Nebenbei bemerkt, nicht der erste und hoffentlich nicht der letzte Fall, in dem Kassák an der Spitze der neuesten Bestrebungen marschiert und sich unbetretenen Wegen anvertraut. Zum Schlüsse wollen wir noch einen am häufigsten gegen die neuen Gedichte Kassáks erhobenen Vorwurf, den der Eintönigkeit, beantworten. Es ist schlechthin unleugbar, daß der autonom gewor­denen Kunst, die keine Themen oder philosophische Thesen, viel­mehr ein Erfühlen des Daseins vermitteln will, die Abwechslung oder Buntheit in einem weit höheren Maße abgeht als dem konzen­trischen Gedichte, das mit unendlich variablen Zufälligkeiten operiert. Aber dieser Vorwurf trifft nicht nur Kassáks Gedichte. Wo Glaube ist, dort ist auch Einschränkung, und wer ohne Glauben ist, der findet jede Einschränkung eintönig. Dann ist aber Whitman und die Bibel ebenso eintönig wie Kassák. Kassák ist jetzt siebenunddreißig Jahre alt, nahe dem Alter, das nicht nur bei Frauen, sondern auch bei fortschrittlichen Künst­lern gefährlich genannt zu werden verdient. Und trotzdem hat er noch nie aufgehört, ein Sucher zu sein. Er ist und bleibt ein ewig­Unzufriedener, ein Voraussetzungsloser, der seine Triebfeder in jener unlöschbaren Unruhe hat, die vielleicht nur ein Deckname für Kunst ist. Und wir, die mit ihm dieselben Wege wandeln, wissen es mit der Gewißheit des Glaubens: am Ende dieser Wege steht — der neue Mensch! Andreas Gáspár 12

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