Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Ilona Sármány-Parsons: Symbiose und distanz

Aus den Zeitungsberichten wird deutlich, dass Ausstellungen moderner ungarischer Maler in Wien ein seltenes Ereignis waren, und der Herrscher - der im Übrigen nur die jährliche Frühjahrsausstellung im ehrwürdigen Künst­lerhaus regelmäßig besuchte - es für wichtig erachtete, sich Zeit für den ersten Auftritt der modernen Ungarn zu nehmen.37 In der Presse erschienen insgesamt zwei ausführlichere Besprechungen zum Gastauftritt der Ungarn. Eine davon hatte Friedrich Stern, der Kritiker des liberalen und sich als demokratisches Organ bezeichnenden Neuen Wiener Tageblatts, einen Tag nach der Eröffnung geschrieben,38 der andere Aufsatz erschien aus der Feder von Ludwig Hevesi in dessen Rezensionsrubrik39 „Aus dem Wiener Kunstleben“40 der Zeitschrift Kunst und Kunsthandwerk. Die Besprechung von Friedrich Stern ist auch aus dem Grund interessant, da es sich um die erste wesentliche Reflektion über die ausgestellten Werke handelt, es ist ein aufrichtiger, frischer und begeisterter Aufsatz, der eine überraschende Bewandertheit erkennen lässt. Der allgemeine Ton des Artikels ist anerkennend, die Bilder der ein­zelnen Maler werden überaus positiv bewertet. Auf die Werke der Meister, die er bereits von den Ausstellungen im Künstlerhaus kennt, geht er nur knapp ein und bespricht eher die Arbeiten der in Wien noch unbekannten Künstler eingehender. Parallel zu der ungarischen Ausstellung bei Pisko war Fülöp László im Kunstverein mit dreißig Bildern - in erster Li­nie Porträts - zu sehen; somit ist verständlich, dass er im Kunstsalon nur ein Porträt ausstellte. Hevesi bemühte sich in seinem kurzen Bericht gewohnheitsgemäß, den Platz der beteiligten Künstler auf dem Tableau der internationalen Malerei auch chronologisch zuzuordnen. Die Wiener künstlerischen Gruppierungen differenzierten sich ab 1905 noch stärker, die Maler bildeten neue Grup­pen, die junge Generation von Expressionisten wandte sich sowohl stilistisch als auch hinsichtlich ihres ästhetischen Ideals gegen die „modernen Väter“, das heißt die Generation von Klimt. Ähnlich verhielt es sich auch in Ungarn. Die Kritik gegenüber der Kunstauffassung der ersten Generation von Nagybánya [heute Baia Mare/Rumänien] formulier­ten ihre Studenten, die „Neos“, und die auf sie folgende Künstlergruppe die Nyolcak [Die Acht]. In der Kunstwelt begann es zu brodeln, der politische Erdrutsch radikalisierte die sich aneinander reibenden Grup­pierungen, und auch der Ton der Kritik wurde sowohl in Wien als auch in Budapest schärfer. Diese pluralistische Künstlerwelt, die in beiden Hauptstädten voller rivalisierender Konkurrenz steckte, öffnete sich um 1907 noch mehr dem Ausland, womit auch das Interesse an den Nachbarn innerhalb der Monarchie anwuchs. 89

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