Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)
Grussworte - Elisabeth Kornfeind - Thomas Trabitsch
Diese Ironie unterstreicht Milan Dubrovic, wenn er in seinem zwei Jahre später erschienenen Buch Veruntreute Geschichte eine wohlmeinende Empfehlung aus einem österreichischen Reiseratgeber mit dem Titel Was nicht im Baedeker steht erwähnt: .Wenn Sie Wien kennenlernen wollen, müssen Sie eigentlich nach Budapest fahren! Weil diese zwei Städte noch immer miteinander verwandt sind, zusammengehören, sich gegenseitig ergänzen.“ Dieser von Dubrovic genannte Reiseratgeber erschien bereits 1928, und wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass sich zwischen dessen Erscheinen und der Veröffentlichung von Dubrovics Buch in der Wahrnehmung und im Verständnis Ungarns durch Österreich nicht sehr viel geändert hat. Und dies betrifft auch noch die Zeit, nachdem am 23. Oktober 1989 die „Republik Ungarn“ ausgerufen werden konnte und die ,Volksrepublik“ endlich Geschichte war. Dass damit Ungarn der entscheidende Anteil an der politischen Wende in den ehemaligen Ostblockstaaten und somit an der friedlichen Revolution in der DDR zukam, womit der Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands geebnet war, wird ebenso wenig erkannt wie der Umstand, dass es erst nach dem Ende der Teilung Europas im Jahr 1989 möglich geworden war, über kulturelle Gemeinsamkeiten wieder gemeinsam nachzudenken. Eine Ausstellung, in der Verbindungen zwischen Ungarn und Österreich auf den Gebieten der Literatur, des Theaters und der Musik präsentiert werden, bietet dem Österreichischen Theatermuseum die überaus willkommene Gelegenheit, seine hoffentlich zahlreichen Besucher auf diese sehr wohl existierenden und nach wie vor verkannten kulturellen Zusammenhänge hinzuweisen und ihnen im besten Fall die Augen zu öffnen. Wer bedenkt denn heute schon, um nur zwei Beispiele zu nennen, dass das Libretto zu dem von uns vielgeliebten und aus unserer Operettenwelt nicht wegzudenkenden Zigeunerbaron auf einer Novelle von Mór Jókai basiert oder dass der Autor des oft gespielten Liliom, Franz Molnár, in Ungarn geboren wurde? Übersehen wir nicht allzu gerne, dass ein großer Teil unserer Kultur aus einer Zeit stammt, in der das Königreich Ungarn „auf ewig und untrennbar“ mit dem Kaiserreich Österreich liiert war? Mit diesem Ausstellungsprojekt ist es dem Literaturmuseum Petőfi Budapest und dem Österreichischen Theatermuseum hoffentlich gelungen, einen kleinen Schritt des kulturellen Austausches in diesem wieder gemeinsamen Europa zu gehen. Um die Absicht beider Institutionen zu unterstreichen, wurde zudem für die Präsentation in Budapest wie auch in Wien bewusst jener Zeitraum gewählt, in dem Ungarn den Vorsitz der Europäischen Union haben wird. Für die Initiative zu unserem Ausstellungsprojekt und für die Idee, die Schau auch im Österreichischen Theatermuseum zu präsentieren, danke ich Csorba Csilla, der Generaldirektorin des Literaturmuseums Petőfi Budapest. Ihr zur Seite standen in Budapest Julianna Wernitzer, Dalma Török und Edit Kovács sowie weiters Réka Pintér, die sich der Gestaltung der Ausstellung sowohl in Budapest als auch in Wien angenommen hat. Ihnen sei herzlichst gedankt. Weiters bedanke ich mich bei Christiane Mühlegger-Henhapel für die Organisation der Ausstellung in Wien und bei Andreas Kugler, der sich der Betreuung der Öffentlichkeitsarbeit angenommen hat. „Es gilt, Europa von seiner kulturellen Vielfalt her neu zu denken“, schreibt Emil Brix, ehemaliger Leiter der Kulturpolitischen Sektion im Österreichischen Außenministerium, und ich erlaube mir zu ergänzen: um gemeinsamen kulturellen Vorstellungen von Europa gegenüber nationalen Denkschemata den Vorrang zu geben. Ich hoffe, dass es unserem gemeinsamen Ausstellungsprojekt gelingt, auf diese kulturelle Vielfalt hinzuweisen, um sie uns damit wieder ins Bewusstsein zu bringen. | Dr. Thomas Trabitsch (Direktor des Österreichischen Theatermuseums) 5