Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Éva Bajkay: Ungarische künstler von der sezession bis zur avantgarde in Wien 1900-1936

Im Frühjahr 1913 kam es im Budapester Művészház zu einer Ausstellung der Klimt-Gruppe, die aus der Künstlerver­einigung Secession ausgetreten war, Ende des Jahres dann empfing dieselbe Institution eine österreichische Ausstel­lung von recht gemischtem Material, die durch die Erwiderung der Einladung zu einer Ausstellung der Ungarn im Wiener Künstlerhaus an Bedeutung gewann. Letztere beschränkte sich allerdings auf nur vier Säle und war entspre­chend der Wiener Institution konservativer als die Ausstellung der Österreicher in Ungarn. Die Jury untersagte beispiels­weise die Präsentation der expressionistischen Bilder von Robert Berény und Lajos Tihanyi. Berény organisierte daher mittels seiner Beziehungen gemeinsam mit Bertalan Pór eine „Gegenausstellung“ in einer kurzlebigen Privatgalerie namens Brüko.13 (Hier war von Tihanyi unter anderem das Porträt von György Bölöni zu sehen, der im Hinblick auf die Beziehung Budapest-Wien literarisch von großer Bedeutung war.) Während in der österreichischen Presse von der Ausstellung nur zwei Anzeigen erschienen, berichteten die Schriftstellerfreunde der ausstellenden Künstler und die liberale ungarische Presse ausführlich darüber. Somit kann weniger von einem kulturellen Zusammenschluss als vielmehr nur von einer geringen und vereinzelten Präsenz ungarischer Künstler in Wien gesprochen werden. In den Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg und den Revolutionen stieg die Zahl der ungarischen Künstler in Wien an, da die Elite der ungarischen Moderne zur Emigration gezwungen war. Wien schien den Ungarn als nächstgelegenes Zentrum anfangs attraktiver als Berlin und Paris. Die Wiener ungarische Avantgarde, die sich in dieser Zeit sowohl politisch als auch materiell in einer schweren Situation befand, konnte gewissermaßen auf ihren früheren Beziehun­gen aufbauen, beziehungsweise trug sie auch in ihrer Isolation - in erster Linie mittels des Kreises um Kassák und die Zeitschrift A/IA [Heute] - dazu bei, dass Wien zu einem modernen Zentrum der speziellen Art, zu einem Teil des Systems der internationalen avantgardistischen Beziehungen wurde. Dies war der Beitrag der Ungarn zu der Kunst der sozialdemokratischen Stadt, die sie aufgenommen hatte und finanziell förderte, und deren führende öster­reichische Persönlichkeiten wie Klimt und Schiele verstorben waren, Kokoschka hingegen fortgegangen war. 1920 schrieb der frühere Mäzen Kokoschkas, Oskar Reichel, ein verständiges Vorwort zur Ausstellung von Lajos Tihanyi (1885-1938) in der Modernen Galerie.14 In seinen Porträts erkannte er die konzentriertere, expressiv rea­listische Darstellung, das Spezielle, das von der „auf visionäre Weise jeden Zentimeter mit Vitalität erfüllenden“ 167

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