Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Pál Deréky: Ungarische avantgardeschriftsteller und -künstler in Wien in den jahren 1920-1926

Schauspielerin, seiner jüngeren Schwester, ebenfalls einer Arbeiterin, Schriftstellerin zu werden. Er duldete keine Widerrede, mit ihm konnte man nur brechen. Daher bestimmte er auch maßgeblich - im Guten wie im Schlechten - den Charakter der ungarischen Avantgarde. Er war der Erfinder des ungarischen Aktivismus (den er allerdings erst im Frühjahr 1919, kurz vor der kommunistischen Machtübernahme proklamierte, um seine Gruppe von den Kom­munisten abzugrenzen), und als das Heilsversprechen des Aktivismus — heute weint ihr noch, Brüder und Schwes­tern, doch morgen gehört euch die Welt - unmöglich gemacht wurde, rettete er es sowohl in der Kunst (Bildarchi­tektur) als auch in der Literatur (Nummerierte Gedichte) in eine neue Formensprache. In dieser neuen, abstrakten Formensprache wurde die weiterhin für notwendig gehaltene Transformation der Gesellschaft nun nicht mehr durch den politischen Umsturz, sondern durch den technischen Fortschritt propagiert. Daher bezeichneten ihn die Kom­munisten als Verräter. Auch er schuf ein riesiges Oeuvre, als dessen Avantgarde-Höhepunkte vor allem seine Zeit­schriften, seine Bildarchitektur, sein Langgedicht, seine 100 Nummerierten Gedichte und das 1922 mit Moholy- Nagy gemeinsam herausgegebene buch neuer Künstler, die erste Übersicht über die Ismen, bezeichnet werden können.11 Er verabschiedete sich I 926 aus Wien mit Tisztaság könyve [Buch der Reinheit], einem sorgfältig konstru­ierten Gesamtkunstwerk aus literarischen Texten, Bildarchitekturen und Gebrauchsgrafik, das stilbildend wurde. Lajos Kudlák war der Verbindungsmann des Wiener Kassák-Kreises nach Bratislava. Er publizierte im Wiener MA-Verlag einen Band ausgefallener avantgardistischer Gedichte namens Gitár és konflisló [Gitarre und Fiakerpferd], hatte allerdings auch als Organisator wichtige Aufgaben. In Bratislava gab es eine zahlungskräftige gebildete Bürgerschicht, die durchaus empfänglich für die Avantgarde war und als eine der Hauptquellen zur Finanzierung der Zeitschrift MA (sowie des Verlages) diente. Kassák hielt regelmäßig Vorträge und Lesungen in der Stadt. Nach seiner Rückkehr nach Ungarn im Herbst 1926 überantwortete er Kudlák das MA-Archiv, der es allerdings zur Zeit des stalinistischen Terrors aus Angst, es könnte ihm zum Verhängnis werden, vernichtete (Mitteilung Tomás Straus). János Mácza, von Beginn an dabei entwickelte er die Grundlagen des ungarischen Avantgarde-Theaters. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass der Kassák-Kreis bereits im Sommer 19 I 9 in Budapest auf allen Gebieten der Kunst und der Literatur seinen avantgardistischen Gegenentwurf zur Ästhetik der Moderne (in Ungarn etwa ab 1900) präsentieren konnte. 158

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